In sündiger Silvesternacht
kurz, als ob noch eine andere Macht ihn festhielt, dann drehte er sich um und ging über die Straße in Richtung Strand.
11. KAPITEL
Elizabeth schaute Jarvies Wagen nach und marschierte wutschnaubend ins Haus. Nathan hatte eine schwerwiegende Entscheidung gefällt und sein Vorhaben sehr kalt, sehr überlegt durchgezogen.
Kein Wort davon hatte er zu ihr gesagt, weder auf der zweistündigen Fahrt nach Melbourne noch gestern Abend noch heute Nachmittag auf dem Rückweg zur Insel. Sie hatte ihm von ihrem Plan, sich um eine Stelle als Lehrerin in Melbourne zu bewerben, erzählt – davon, ihre Heimat zu verlassen und auf die andere Seite der Erdkugel zu ziehen! –, und er hatte seinen schicksalhaften Entschluss die ganze Zeit über für sich behalten.
Elizabeth war wütend und fühlte sich zugleich hilflos. Sie wusste einfach nicht mehr weiter. Wie sollte sie an Nathan herankommen, wenn er dichtmachte? Sie hatte sich dafür entschieden, ihn nicht unter Druck zu setzen, aber vielleicht hätte sie es tun sollen. Vielleicht hätte sie ihn zum Reden zwingen sollen, statt darauf zu hoffen, dass er sich von selbst öffnete.
Seufzend fuhr sie sich durchs Haar und sah auf die Uhr. Nathan war jetzt schon fast eine halbe Stunde fort. Trotzdem konnte es noch lange dauern, bis er zurückkehrte.
Draußen war es inzwischen dunkel. Elizabeth ging eine Weile lang in der Küche auf und ab, dann beschloss sie, zur Beruhigung eine Dusche zu nehmen. Vielleicht kehrte Nathan in der Zwischenzeit zurück, damit sie sich aussprechen konnten.
Sie ging ins Bad und stellte die Dusche an. Wasser spritzte auf die Fliesen, und Elizabeth wollte die Kabine schließen, damit der Boden nicht noch nasser wurde, während sie sich auszog. Die Glastür glitt nur zwei Zentimeter weit, bis sie in der Führungsschiene verkantete. Elizabeth knirschte mit den Zähnen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Energisch zog sie an der Tür, doch die blieb stecken.
Ist es zu viel verlangt, dass diese eine Sache klappt? Diese eine kleine Sache?
Sie biss die Zähne zusammen, packte die Tür mit beiden Händen und versuchte, sie mit Gewalt zu bewegen.
„Blödes Ding!“
Keuchend drückte und zog sie abwechselnd. Sie wollte gerade aufgeben, als die Sperre sich plötzlich ruckartig löste. Elizabeth taumelte, verlor die Balance und rutschte auf den nassen Fliesen aus.
Instinktiv ruderte sie mit den Armen, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Dabei durchschlug ihre Hand krachend das Glas der Duschtür. Schneidender Schmerz durchzuckte Elizabeth, als sie sich an den scharfen Splittern den Arm aufschlitzte.
Blut tropfte aus der Wunde, tiefrot und so schnell, dass Elizabeth einen Augenblick lang wie erstarrt dastand. Blut auf ihrem Arm, Blut auf dem Glas, Blut im Ausguss der Dusche, Blut auf den Fliesen.
Sie musste versuchen, den Fluss zu stoppen – und zwar rasch. Das Handtuch lag auf dem Boden, und sie bückte sich, um es aufzuheben. Dabei wurde ihr fast schwarz vor Augen, sodass sie benommen auf die Knie sank.
Blinzelnd kämpfte sie gegen das Schwindelgefühl an. Sie durfte nicht in Ohnmacht fallen. Nicht, solange ihr Arm noch so stark blutete.
Zittrig faltete sie das Handtuch mit der linken Hand und wickelte es um ihren rechten Unterarm. Dabei sah sie auf die Wunde und wünschte sogleich, sie hätte es nicht getan.
Ihr wurde übel. Fest drückte sie das Tuch auf die Verletzung. Sie erinnerte sich daran, irgendwo gelesen zu haben, man sollte den Arm hochhalten. Oder galt das nur für Schlangenbisse? Sie schüttelte den Kopf. Es kostete sie viel Anstrengung, klar zu denken.
Verspätet fiel ihr ein, dass sie einen Notarzt brauchte. Daran hätte sie zuerst denken sollen. Sie presste den rechten Arm an ihren Körper, umklammerte das Handtuch mit der linken Hand und lehnte sie sich mit der Schulter an die Wand. Sie versuchte aufzustehen, um zum Telefon in der Küche zu gelangen. Ihre Beine zitterten, und wieder kämpfte sie dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren.
Gut. Dann krieche ich eben zum Telefon. Kein Problem .
Aber selbst das ging über ihre Kraft hinaus. Sie schaute hinunter und sah, dass das Handtuch blutdurchtränkt war. Da begriff sie, dass sie in großen Schwierigkeiten steckte. In richtig großen.
Sie schloss die Augen, und alles, woran sie denken konnte, war Nathan. Wenn sie es nicht zum Telefon schaffte, würde sie ihn nie wiedersehen. Sie würde nicht erleben, wie er sich erholte. Sie würde nie die Chance erhalten, ihm ihre Liebe zu
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