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In sündiger Silvesternacht

In sündiger Silvesternacht

Titel: In sündiger Silvesternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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erkundigen.
    Elizabeth stand höflich lächelnd daneben. Um sie herum bewegten sich Verkäufer zwischen den Auslagen und unterhielten sich leise und in ehrfürchtigem Ton mit ihren Kunden. Wohin sie auch schaute, überall waren zerbrechliche, kostbare Dinge kunstvoll arrangiert, um selbst die anspruchvollsten Betrachter in Versuchung zu führen.
    Ihr Blick fiel auf einen Tisch mit Whiskey-Karaffen aus geschliffenem Glas. Plötzlich hatte sie eine Vision, wie sie den Tisch packte und mitsamt den Karaffen umwarf. Das Bild war so real, dass sie fast schon das Krachen von zersplitterndem Glas und die entsetzten Schreie der umstehenden Leute hörte.
    Vorsichtshalber trat sie einen Schritt zurück und verschränkte die Hände ineinander.
    Nicht, dass sie befürchtete, sie könnte den Tisch tatsächlich umwerfen. So etwas Ungeheuerliches würde sie niemals tun.
    Trotzdem wich sie noch einen Schritt weiter zurück.
    Es ist nur Lampenfieber vor der Trauung, redete sie sich ein. Nichts Besorgniserregendes. Jede Braut empfindet so vor ihrer Hochzeit.
    Nur, dass dies nicht der einzige rebellische Impuls war, den Elizabeth in letzter Zeit verspürt hatte. Vergangene Woche, beim Lunch der „Friends of the Royal Academy“, hatte sie nur mühsam den Drang unterdrücken können, aus Leibeskräften zu schreien, als der alte Mr Lewisham sich über die Qualität der Servietten im Coffeeshop der Akademie ausgelassen hatte und darüber, was diese über den „Verfall der Sitten“ aussagte. Und gestern hatte sie sich dabei ertappt, wie sie ihre Schritte vor einem Tattoo-Studio in der Nähe des Bahnhofs King’s Cross verlangsamt hatte, um das archaische Rosenmotiv am Arm des Mädchens hinter dem Tresen zu bewundern. Sie hatte sogar schon einen Fuß über die Ladenschwelle gesetzt, ehe sie wieder zur Besinnung gekommen war und sich daran erinnert hatte, wer sie war.
    „Elizabeth, hörst du mir überhaupt zu?“
    Elizabeth schrak zusammen. Sowohl die Verkäuferin als auch ihre Großmutter musterten sie und warteten auf ihre Antwort.
    „Entschuldige, Grandma, ich habe geträumt“, sagte sie.
    Ihre Großmutter tätschelte ihr liebevoll den Arm. „Komm und sieh dir das Wegdwood-Porzellan an.“
    Elizabeth setzte wieder ein Lächeln auf und ließ sich ergeben von Grandma fortführen.
    Am frühen Abend kehrte Elizabeth zur georgianischen Stadtvilla ihrer Großeltern in Mayfair zurück. Ihre Großmutter war bereits nach dem Lunch nach Hause gefahren, um ihre Mittagsruhe zu halten, während Elizabeth noch einen Termin mit dem Floristen hatte. Unterwegs hatte sie noch in der Boutique ihrer Freundin Violet hereingeschaut, sodass es bereits sechs Uhr schlug, als sie die Halle betrat. Sie ließ ihre Tasche vom Arm gleiten und zog ihre Handschuhe aus.
    Es war Dienstag, was bedeutete, dass Martin jede Minute hereinkommen würde. Er aß jeden Dienstag hier zu Abend. So wie er jeden Mittwoch Squash spielte und sie jeden Freitag zum Dinner ausführte. Wenn sie sich beeilte, hatte sie noch genug Zeit, um sich vor seiner Ankunft frisch zu machen.
    Die Haushälterin hatte Elizabeths Post akkurat auf den Tisch in der Halle gestapelt. Elizabeth blätterte die Briefe auf dem Weg zur Treppe rasch durch. Ein offiziell wirkender Umschlag weckte ihre Aufmerksamkeit, und sie blieb stehen. Martin hatte sie gebeten, eine Kopie ihrer Geburtsurkunde anzufordern, damit er die Heiratserlaubnis beantragen konnte. Sie riss den Umschlag auf, um sich zu vergewissern, dass die Urkunde endlich gekommen war. Ein weiterer Punkt, den sie von ihrer Liste streichen konnte.
    Sie faltete das Blatt Papier auseinander und überflog die Angaben. Elizabeth Jane Mason, geboren am 24. August 1980, Name der Mutter Eleanor Mary Whittaker, Name des Vaters …
    Die Handschuhe entglitten ihren Fingern.
    Sam Blackwell.
    Wer, zum Teufel, ist Sam Blackwell?
    Ihr Vater war John Alexander Mason, geboren am 16. Januar 1942, gestorben vor dreiundzwanzig Jahren beim selben Segelflugzeugabsturz wie ihre Mutter.
    Es musste sich um einen Irrtum handeln! Anders konnte es gar nicht sein.
    Elizabeth richtete den Blick auf die geschlossene Tür am Ende des Gangs. Mit der Urkunde in der Hand und einem mulmigen Gefühl im Bauch schritt sie darauf zu. Aus dem Arbeitszimmer ihres Großvaters waren Stimmen zu hören, doch zum ersten Mal in ihrem Leben trat sie ohne Anklopfen ein.
    „Hier ist etwas verkehrt“, platzte es aus ihr heraus.
    „Elizabeth. Ich habe mich schon gefragt, wann du wohl nach Hause

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