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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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setzte sich in ihren gewohnten Sessel am Fenster. »Setzen Sie sich, und erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Himmel, wo soll ich bloß anfangen?«, erwiderte Lee und ließ sich aufs Sofa sinken. An guten Tagen saß er im Sessel ihr gegenüber, an schlechten nahm er das Sofa. Dies war einer der schlechten Tage.
    Nachdem er seinen Bericht über sein Treffen mit Kathy und den Streit mit Chuck beendet hatte, schüttelte sie den Kopf. »Ein Unglück kommt selten allein.«
    »Wem sagen Sie das.«
    »Glauben Sie, es gibt einen Zusammenhang?«
    »Eigentlich nicht. Kathy kennt Susan nicht und hatte mit dieser Ermittlung nichts zu tun. Aber ich warte auf die nächste Hiobsbotschaft.«
    »Warum?«
    »Sind nicht aller guten Dinge drei?«
    »In diesem Fall hoffentlich nicht. Apropos Fälle – gibt es irgendwelche Entwicklungen?«
    »Nichts, was in absehbarere Zeit zu einer Verhaftung führen würde.«
    Dr. Williams war der einzige Mensch außerhalb der Strafverfolgungsbehörde, mit dem er offen über eine laufende Ermittlung sprechen konnte. Durch ihre Schweigepflicht war alles, was er ihr erzählte, gut aufgehoben. Es war entlastend, mit jemand anderem als seinen Kollegen über einen Fall sprechen zu können. Hier konnte er herummeckern, jammern und Luft ablassen, in einem beruflichen Umfeld dagegen bemühte er sich, immer sachlich zu bleiben. Er brauchte es, seine Ängste und Enttäuschungen in einer Umgebung zum Ausdruck bringen zu können, in der er sich keine Sorgen um sein professionelles Image machen musste. Wenn es etwas gab, das Polizisten nicht mochten, dann war es jemand, der schwach oder unentschlossen auftrat. Er vertraute Leonard Butts allmählich und mochte ihn wirklich, dennoch blieb immer der Druck, professionell zu sein. Es war eine starre Rolle, und sie zu spielen, konnte einen gefühlsmäßig auslaugen.
    Dr. Williams trank einen Schluck ihres allgegenwärtigen Eistees.
    »Ich habe eine Frage, die Sie möglicherweise für nutzlos halten.«
    Sein Interesse war geweckt. »Und welche?«
    »Glauben Sie, dass es Parallelen gibt zwischen dem Fall und dem, was in Ihrem Privatleben passiert?«
    »Sie meinen, Verbindungspunkte zwischen mir und dem Unbekannten?«
    »Nicht unbedingt. Ich meine, überhaupt, auch Nebensächliches. Deshalb möchte ich, dass Sie darüber nachdenken, bevor Sie antworten.«
    »Wir wissen, worin meine Probleme bestehen.«
    »Okay.«
    »Und wir wissen, dass ich nicht gewillt bin, mich einigen davon zu stellen.«
    Sie lächelte. »Sagen wir ›nicht bereit‹ statt ›nicht gewillt‹, einverstanden?«
    Nun musste er lächeln. »Wenn es das besser für Sie trifft?«
    »Warum, glauben Sie, ist Ihre Wut so bedrohlich für Sie?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Raten Sie.«
    »Ich dachte, das wäre Ihr Job.« Er machte nur teilweise Spaß.
    »Also schön, wenn Sie darauf bestehen. Ich glaube, Sie haben Angst davor, wütend zu werden, weil Sie wissen, dass es in Ihrer Familie für negative Gefühle keinen Platz gibt. Und als Ihr Vater Sie verließ, bestätigte das Ihre schlimmsten Befürchtungen – dass Sie, wenn Sie wütend werden, einen schrecklichen Preis dafür zahlen müssen.«
    »Aber deshalb hat er uns nicht verlassen.«
    »Das ist Ihnen rational klar, als Erwachsener. Aber als Kind haben Sie es anders erlebt. Sogar heute glauben Sie nicht ganz daran. Ein Teil von Ihnen glaubt, dass Sie ihn daran hätten hindern können, Sie zu verlassen.«
    »Aber wie –« Eine Erinnerung überflutete ihn. Es war der Sommer, bevor sein Vater fortging, und er, Lee, hatte etwas angestellt. Vielleicht hatte er geflucht oder die Verhaltensregeln seiner Mutter irgendwie missachtet. Jedenfalls hatte es sie dazu veranlasst, ihm die Teilnahme am Feuerwerk zu verbieten, das anlässlich des Nationalfeiertags am 4. Juli jedes Jahr über dem Delaware River gezündet wurde. Er liebte einfach alles an Feuerwerken: den Krach, die bunten Lichtexplosionen am Nachthimmel, die Ohs und Ahs der Menschenmenge und sogar den Pulvergeruch, der sich mit dem sumpfigen Flussgeruch vermischte, der von den Ufern des Delaware River aufstieg.
    »Ich hatte einen Wutanfall«, sagte er.
    Sie lehnte sich vor. »Tatsächlich? Wann?«
    »Kurz bevor er ging.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich angestellt habe. Ich glaube nicht, dass es was wirklich Schlimmes war. Vielleicht wollte meine Mutter ein Exempel statuieren. Vielleicht wusste sie auch nicht, wie sehr ich Feuerwerke liebte.«
    »Und was ist dann

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