In sueßer Ruh
und geordnet. Woran erinnerten sie ihn nur? Irgendwas in seinem Hinterkopf, das er einfach nicht greifen konnte.
Erst als er mit dem Stück fertig war, erkannte er, was die Noten aus seinem Unterbewusstsein an die Oberfläche gebracht hatten. Die komplizierten Notenmuster erinnerten ihn an Blutspritzer.
KAPITEL 60
Liebevoll blickte Davey auf das Mädchen, das ausgestreckt auf dem Bett vor ihm lag. Verlangen, Mitleid und Euphorie befanden sich in seinem überhitzten Zustand im Wettstreit. Seine Phantasie war fast Wirklichkeit. Mit dieser Kleinen hier würde er es richtig machen, genau so, wie er es sich schon so oft erträumt hatte. Sein Labor war vollständig, und die perfekte Vereinigung, die er sich schon seit so Langem vorstellte, würde stattfinden.
Er beobachtete ihr zuckendes Gesicht, als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam, ihre Augenlider flatterten und öffneten sich. Sie hatte blaue Augen wie Edwina – ja, gut, sehr gut, dachte er. Umso besser. Er musste das Erlebnis so genau wie möglich nachbilden. Die anderen hatte er mit zu vielen Medikamenten gebändigt, dieses Mal würde er es richtig machen. Er würde neben ihr liegen und spüren, wie ihr Blut pulsierend aus ihrem Körper in seinen eigenen floss. Er würde ihr Gesicht betrachten, wie das Leben aus ihm wich, genauso wie er viele Wochen und Monate das Gesicht seiner Schwester betrachtet hatte.
Aber er würde nicht die Sachen mit ihr machen, die er mit seiner Schwester gemacht hatte – die würde er nie wieder mit irgendeinem Mädchen tun. In seinen dunkelsten Stunden glaubte er, dass sie deshalb hatte sterben müssen – wegen ihrer Sünden. Sie waren nur Kinder und wussten es nicht besser, aber tief drinnen hatten sie vielleicht doch erkannt, dass es falsch war. Trotzdem konnten sie nicht anders. Sie hatten in diesem großen, zugigen Haus nur sich, und ihre Schlafzimmer lagen auf dem langen Flur im ersten Stock nebeneinander. Davey erinnerte sich, wie er nachts auf Zehenspitzen ins Zimmer seiner Schwester schlich, an das laute Ticken der Standuhr am Ende des Flurs und an das Schnarchen seines Vaters, schrill wie eine Kreissäge, das die Luft vibrieren ließ. Erregung rührte sich in seinen Lenden, als er auf seine Gefangene hinabsah. Sie war schon wieder ohnmächtig geworden, bald würde sie allerdings wieder zu Bewusstsein kommen, dachte er.
Er ging zum CD -Player hinüber und drückte erneut die Play-Taste. Der Song ging weiter, wo er ihn unterbrochen hatte.
Don’t be afraid, my love – open up your arms
Welcome death’s embrace – and save me with your charms
Salvation will be mine – I stand upon your door
Science will ensure me we’ll be together forevermore
Sie bewegte sich, murmelte etwas Unverständliches und versuchte, ihre Umgebung wahrzunehmen. Er beugte sich über sie und nahm ihr Gesicht in die Hände. Hier war es, wonach er suchte – der Blick von Qual, Schmerz und Verwirrung. Er stellte sich zunächst langsam ein, bis er sah, dass es sie einholte. Ihre Augen weiteten sich entsetzt, und ihre Lippen mühten sich, Worte zu formen. Doch sie war noch zu benommen von den Medikamenten, um zu sprechen.
Er richtete sich auf, blickte auf sie hinunter und versuchte, das Gefühl auszukosten. Sie ahnte ja gar nicht, wie unglaublich sexy sie gerade war mit ihren vor Furcht und Verunsicherung verzerrten Zügen. Auf ihrer linken Schläfe trat eine schmale Ader hervor, Schweiß rann ihr von der Stirn, und ihre Augen bettelten ihn an – flehten um Gnade, um Freilassung, um ein Ende ihres Leidens. Aber es hatte für seine Schwester keine Gnade gegeben, und es würde auch für sie keine geben. Wenn Gott nicht gnädig sein konnte, war er es auch nicht.
Er überprüfte die Instrumente, um sich zu vergewissern, dass alles bereit war – die Schläuche, die Kanülen, alles war an seinem Platz. Zufrieden gab er ihr eine Spritze, um sie noch einmal zu betäuben. Als sich ihre Lider wieder geschlossen hatten, führte er eine Kanüle in ihren Arm ein und eine zweite in seinen eigenen. Dann legte er sich neben sie aufs Bett und wartete.
KAPITEL 61
Anthony Palatine starrte auf den Körper des Mädchens, das ausgestreckt vor ihm lag. Unschlüssig, was er tun sollte, setzte er sich neben es und kratzte sich im Nacken. Er hatte seit ein oder zwei Wochen nicht mehr gebadet, und es juckte ihn. Lieber gar nicht daran denken, was alles auf den Bänken lebte, auf denen er im Riverside Park schlief. Er berührte das Mädchen am Knöchel, um es
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