In sueßer Ruh
in den Mund zu nehmen und daran zu saugen, bis er sie zum Stöhnen gebracht hätte.
»Entschuldigung«, sagte er, Zerknirschung heuchelnd, die er nicht empfand. Er erschreckte Flossie gern, genoss es zu sehen, wie sie auffuhr und sich an den Busen griff. Dabei stellte er sich vor, es wäre seine Hand statt ihre. Er würde drücken und pressen, bis sie sich rücklings über den Herd lehnen und er sie sich auf dem weißen Emailküchentisch zu Willen machen würde. In ihrer Hast, ihre gegenseitige Wollust zu befriedigen, würden sie die große hölzerne Pfeffermühle polternd zu Boden befördern, jedes Hindernis würde ihre gewaltige Glut aus dem Weg räumen.
François war noch Jungfrau, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sich alle möglichen sexuellen Eskapaden vorzustellen. Im Gegenteil, es verstärkte seinen Hang zum Phantasieren sogar. Er hatte die ganz normal verrückt spielenden Hormone eines Jungen seines Alters, bisher aber noch keine Gelegenheit gehabt, sich in die Welt sexueller Erfahrungen zu stürzen, außer mit sich selbst. Flossie wusste es nicht, aber seit seiner frühen Jugend spielte sie eine Hauptrolle in seinen Selbstbefriedigungsphantasien.
In der Steampunk-Szene war François nicht in der Minderheit. Hinter den raffinierten viktorianischen Gewändern, den Seidenzylindern mit Schutzbrillen und den Lederkorsetts verbarg sich eine erstaunlich große Anzahl Jungfrauen. Da die jungen Leute häufig höchst phantasiebegabt und intelligent waren, machten sie ihre fehlenden sexuellen Erfahrungen mit Einfallsreichtum und Eleganz wett. Die Atmosphäre in Steampunk-Klubs war aufgeladen mit sublimierter Sexualität, deshalb fühlte François sich dort vermutlich so zu Hause.
»Wieso bist du um diese Zeit schon auf?«, fragte Flossie. Ihre runden Backen waren so drall und einladend wie diese anderen intimeren Backen, die François so liebend gerne einmal gesehen hätte.
Er zuckte mit den Achseln und ließ sich auf einen Küchenstuhl plumpsen. »Bin einfach aufgewacht.«
Flossie legte besorgt die Stirn in Falten. Sie hat so ein ausdrucksvolles Gesicht, dachte er. In ihren kleinen, strahlend blauen Augen standen mütterliche Sorge und Zuneigung. »Du hast also noch immer Schlafstörungen?«, sagte sie.
»Nein«, log er. »Mir war einfach nach Aufstehen.«
»Und was möchtest du zum Frühstück?«, fragte sie und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Eigentlich war Flossie als Kindermädchen eingestellt, übernahm seit Kurzem aber auch fast die gesamte Kocherei, nachdem sich der teure französische Privatcuisinier mit einer »Bauchtanztussi« aus dem Staub gemacht hatte, wie Flossie sie bezeichnete. Sie war tatsächlich Erotiktänzerin im Kit Kat Club, und der Koch hatte sie genau in dem Moment verlassen, als François’ Eltern zu ihrem Entsetzen erfahren hatten, dass er mit einer Stripperin zusammen war. Das war nicht nur moralisch verwerflich, sondern verletzte auch ihr ästhetisches Empfinden, schließlich war es das Schlimmste vom Schlimmen: geschmacklos.
Manchmal dachte François, dass Geschmacklosigkeit die größte Sünde war, die man in der Welt seiner Eltern begehen konnte. Sie schien mehr Geringschätzung und Kritik hervorzurufen als charakterliche Schwächen wie Unehrlichkeit, Gier oder sogar Grausamkeit. Dass sie derlei Verhalten verurteilten, war bei seinen Eltern ein reines Lippenbekenntnis, denn er sah die rechtschaffene Entrüstung in ihrem Blick, wenn jemand auch nur ihren Sinn für Anstand und Etikette beleidigte. Na schön, dachte er. Noch so ein unverständliches Glied in der Kette, die ihn mit seinen Eltern verband und zugleich von ihnen trennte. Oder wie der Pink-Floyd-Song es ausdrückte: another brick in the wall .
Aber Flossie war anders. Sie saß ihm gegenüber, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und verströmte einen wundervollen Duft nach Lavendel und Zitronenmelisse. Diesen Geruch von ihr könnte er ewig einatmen und sich in ihrer Wärme und Freundlichkeit verlieren. Er sehnte sich danach, diese blonden Locken zu lösen und ihr die Haare über die Schulter fallen zu lassen, damit sie ihren weißen Hals wie gelbes Laub umspielten.
»Und«, sagte sie, »was soll’s denn nun heute früh sein – Haferflocken oder ein schönes Spiegelei?«
Er seufzte und legte den Kopf in die Hände, sich durchaus bewusst, dass diese Pose etwas Dramatisierendes hatte. »Keinen Hunger.«
Sie runzelte die Stirn und drohte ihm erneut mit dem Finger. Von dieser Geste ging eine
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