In sueßer Ruh
jedes Blatt Papier säuberlich angebracht statt des üblichen Durcheinanders zerfledderter, sich überlappender Zettel, von denen einige immer schon längst nicht mehr aktuell waren. Die Pflanzen am Fenster wirkten gesund und gut gegossen, und die Blätter des Ficus sahen aus, als wären sie kürzlich abgestaubt worden. Lee konnte sich nicht vorstellen, wie sie je ohne Ruggles zurechtgekommen waren. Er verspürte den Drang, mit einem Lob herauszuplatzen, besann sich jedoch eines Besseren. Etwas Derartiges würde den empfindsamen Sergeant vermutlich in Verlegenheit bringen.
»Tut mir leid, Sie zu stören, Sergeant«, sagte er, »aber könnten Sie mir sagen, wann Commander Morton zurückkommt?«
»Schwer zu sagen, wann genau, Sir. Er hat mich vor ein paar Minuten angerufen, dass er auf dem Weg von One Police Plaza auf dem Weg hierher ist. Hängt vom Verkehr ab, würde ich sagen, Sir.«
Lee stöhnte. One Police Plaza, das Hauptquartier des NYPD , lag noch unterhalb der City Hall im unteren Teil Manhattans. Ob Chuck nun mit der U-Bahn oder im Streifenwagen unterwegs war, es würde zwangsläufig mindestens eine Stunde dauern, bis er wiederkam.
»Danke, Sergeant«, sagte er. »Piepen Sie mich bitte an, wenn er wieder anruft?«
»Sicher, Sir«, erwiderte Ruggles. Er sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, überlegte es sich aber offenbar anders und wandte sich wieder seinem Papierkram zu.
Schweren Herzens ging Lee zum Büro zurück. Er versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, aber sein Kopf war wie leer gefegt. Susan hatte diese Macht über Männer – auch über ihn –, und er traute ihr nicht über den Weg.
Er fand sie beim Nägelfeilen vor. Sie sah zu ihm auf und runzelte die Stirn.
»Worüber denkst du denn so ernsthaft nach?«
Ob du unsere Geschichte an die Presse weitergegeben hast oder nicht, dachte er. »An nichts«, sagte er.
»Ach, komm schon«, drängte sie ihn mit schmeichelnder Stimme. »Du kannst mir doch erzählen, was nicht stimmt.« Sie wusste genau, was sie tat, dachte er. Ihre Selbstbeherrschung war ernüchternd.
»Ich muss einen Anruf tätigen«, sagte er und wollte zur Tür hinaus.
»Bleib gefälligst, wo du bist«, befahl sie.
Ihr Ton ließ ihn wie angenagelt stehen bleiben. Er drehte sich um und sah sie an.
»Was ist, Susan? Was willst du?«
»Ich glaube, das weißt du.«
»Nun, warum sagst du es mir nicht einfach klipp und klar, auf diese Weise vermeiden wir jegliches Missverständnis.« Er konnte seine eigenen Worte kaum glauben.
Sie wirkte erschrocken. Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe, und ihr Mund erschlaffte. Einen Moment lang dachte er, sie würde vielleicht weinen. Aber bevor sie eine Antwort herausbrachte, flog die Tür auf, und Detective Butts kam hereingerumpelt. Mit einem Grunzen nickte er Lee zu, doch als er Susan Morton erblickte, tat er, was alle Männer taten, wenn sie sie zum ersten Mal sahen: Er starrte sie an.
»Tagchen«, schnurrte sie, wie immer befriedigt, wenn sie eine Reaktion hervorrief.
»Tagchen«, erwiderte er und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.
»Ich bin –«
»Susan Morton«, ergänzte er für sie.
»Ja.« Sie wirkte verärgert, vielleicht weil er sie nicht lange genug angestarrt hatte.
»Tja, das habe ich mir zusammengereimt. Leonard Butts, Morddezernat Bronx«, sagte er und fächelte sich mit dem weichen Filzhut, den er immer trug, Luft zu. »Grundgütiger, ist das heiß draußen«, bemerkte er zu Lee.
»Also, Detective, Ihre kombinatorischen Fähigkeiten sind beeindruckend«, erklärte Susan Morton mit übertriebenem Südstaatenakzent. »Woher wussten Sie –«
»Ist ziemlich eindeutig.«
Sie lächelte und brachte wieder ihre weiblichen Waffen zum Einsatz. »Klären Sie mich auf.« Auch Lee musste lächeln. Sie war auf Komplimente aus, aber sie kannte Butts nicht. Er war nicht der Typ, der anderen Honig ums Maul schmierte.
Er schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Na ja, Sie sind keine Polizistin und sitzen in Captain Mortons Büro, als wäre es Ihres. Also sind Sie entweder seine Frau oder seine Geliebte – aber ich geh davon aus, dass Sie seine Frau sind.«
Lee sah, wie ihr Körper sich versteifte.
»Und weshalb?«
Butts zuckte mit den Achseln. »Er scheint nicht zur untreuen Sorte zu gehören. Und wenn doch, hätte er sich eine Geliebte genommen, die genug Klasse hat, während der Arbeitszeit seinem Büro fernzubleiben.«
Sie presste die
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