In tiefster Dunkelheit
Kiste Knochen gewesen waren, aber sie hatte ein ganz schlechtes Gefühl. Sie wollte es nur nicht glauben. Ein Schauder überlief sie. Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Es waren definitiv Knochen. Kleine Knochen. Wie von einem Baby.
Galle stieg ihr die Kehle hoch. Sie bemühte sich, sie wieder herunterzuschlucken, um nicht noch daran zu ersticken. Warum sollte jemand ein Baby töten? Vielleicht war es tot geboren worden. Aber warum war es dann in diesem Keller begraben? In einer verdammten Werkzeugkiste, oder was immer das war?
Okay. Nicht aufgeben. Andrea konzentrierte sich darauf, den Daumen unter das Klebeband zu schieben. Ihre Finger und Handgelenke waren fest umwickelt, nur der rechte Daumen schaute heraus. Wieder und wieder fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht, bis die Haut um das Klebeband vom Daumennagel wund war. Wenn eine der anderen aufwachen würde, könnte sie ihr helfen. Rufen konnte sie sie nicht, und das Grunzen und Stöhnen, mit dem sie es zuerst versucht hatte, hatte sie nicht aus ihrem Drogenschlaf wecken können.
Gott sei Dank waren die Ratten nicht wiedergekommen. Vielleicht hatten sie beschlossen, sich jetzt, nachdem sie ihren Tunnel ausgehoben hatten, eine Weile fernzuhalten.
Eine Ecke des Klebebands löste sich. Hoffnung durchfuhr sie. Sie klemmte die Ecke zwischen den Daumen und die umwickelte Hand und bewegte langsam den Kopf zurück. Während sie sich bedächtig das Klebeband vom Mund zog, hielt sie die Luft an, so heftig war der Schmerz. Dann schnappte sie nach Luft und hustete.
Gott sei Dank.
Eine Minute gab sie sich, um sich vom Schmerz zu erholen und die Muskeln zu entspannen, dann würde sie den Rest des blöden Klebebands loswerden. Sie befeuchtete ihre aufgesprungenen Lippen und begann an den Fesseln um ihre Handgelenke zu nagen. Es würde eine Weile dauern, aber sie war wild entschlossen. Sobald sie sich befreit hatte, würde sie wieder anfangen zu graben. Ihre Fingerspitzen taten weh vom Kratzen in der Erde, aber so ein bisschen Schmerz konnte sie nicht aufhalten.
Sie hatte keine Schreie mehr von oben gehört. Lebte Reanne noch? Macy und Callie hatten sie nicht getötet. Vielleicht würden sie auch Reanne nicht töten. Vielleicht würden sie keine von ihnen töten.
Vielleicht … Andrea hielt inne. Im Film wurden die Geiseln immer so lange am Leben gehalten, bis die Bösen sie nicht mehr brauchten. Wahrscheinlich wollten sie Geld. Wenn sie bekamen, was sie wollten, ob sie sie dann nach Hause gehen ließen? Wenn sie und die anderen Mädchen den beiden Irren keinen Ärger machten, warum sollten sie ihnen dann etwas tun?
Weil sie ihre Gesichter gesehen hatten.
Andrea nagte energischer an dem ekligen Klebeband. Sie wollte hier raus. Dan und die Cops fanden sie vielleicht nicht rechtzeitig. Darauf zu warten, dass sie gerettet wurden, wäre einfach dumm. Als ein langer Streifen von ihren Handgelenken abriss, gab es ihr neue Hoffnung. Als sie fester mit den Zähnen rupfte, löste sich ein weiterer. Eifrig machte sie weiter. Noch einer und noch einer rissen ab. Ja! Nur noch ein bisschen, dann konnte sie ihre Hände herausdrehen.
Das war der Letzte! Sie hatte es geschafft. Ihre Hände fielen in ihren Schoß. Sie ballte sie zu Fäusten, streckte die Finger aus, ballte sie wieder. Sie schüttelte ihre Arme und Hände, um das taube Gefühl loszuwerden.
Dann krabbelte sie zurück zur Tür und horchte einige Sekunden, bevor sie sich daran machte, zu graben. Gott sei Dank hatten diese schrecklichen Menschen die lockere Erde nicht bemerkt. Dieses Mal häufte sie die ausgegrabene Erde säuberlich an einer Seite auf, damit sie sie wenn nötig sofort zurückschieben konnte.
Ein Schauder überlief sie, als sie den Griff der Metallkiste packte. Sie hob sie aus dem Loch, stellte sie zur Seite und begann unter der Wand weiterzuscharren. Auf dieser Seite des Hindernisses, das zwischen ihr und der Freiheit stand, schien das Loch nun breit genug zu sein. Jetzt musste sie darunter hindurch und auf der anderen Seite herauskommen.
Mit den steifen, schmerzenden Fingern dauerte es eine Weile, bis sie einen Hohlraum unter der Wand ausgehoben hatte, der breit und tief genug war. Es war so, wie sie gehofft hatte: Die Wand lag nur auf dem Erdboden auf. Vermutlich war sie irgendwo oben befestigt, denn es fühlte sich nicht an, als wäre sie mit Zement oder so im Boden verankert. Plötzlich kratzten ihre Finger über einen steinigen Brocken.
Mist. Vielleicht war sie doch
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