In tiefster Dunkelheit
sich kratzig an. Andrea war es egal. Sie musste diese Frau zufriedenstellen, bis sie eine Chance zur Flucht bekam.
Was, wenn sie sie nur fein machten, um sie in eine von diesen Kisten zu legen wie das Mädchen im Keller?
Die Tränen brannten auf ihren Wangen, bevor sie bemerkte, dass sie weinte. Warum war ihr das alles zugestoßen? Warum den anderen?
Die Frau führte sie zu dem Spiegel über der Frisierkommode. »Siehst du nicht hübsch aus?«
Andrea lächelte brav, doch ihre Lippen bebten.
»Jetzt bürsten wir dir noch das Haar, dann bist du fertig.«
Andrea schloss die Augen, während die Frau ihr die Haare bürstete. Wieder betete sie, obwohl sie daran zweifelte, dass rechtzeitig Hilfe kommen würde. Irgendetwas Wesentliches würde gleich passieren, und alles, was sie wollte, war, es zu überleben. Wenn sie an diesem schrecklichen Ort starb, würde man sie je finden? Niemand hatte das Mädchen oder das Baby im Keller gefunden.
»Du bist so hübsch, Andrea.« Die Frau lächelte sie im Spiegel an. »Von dem Tag an, als mein Sohn geboren wurde, wusste ich, dass ich eines Tages eine Tochter haben würde, auch wenn sie mir sagten, ich könnte keine weiteren Kinder mehr bekommen.« Sie legte die Bürste weg und drückte Andreas Arm. »Und jetzt habe ich eine.«
Andreas Herz drohte aus ihrer Brust zu springen. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, verzog sie die Lippen zu einem Lächeln und nickte.
Die Frau führte Andrea in den Flur vor dem Zimmer. »Sieht sie nicht hübsch aus, Daddy?«
»Doch, und wie, Momma.«
»Nimm ihre Hand«, befahl die Frau.
Die beiden führten Andrea in ein anderes Zimmer, weiter den Flur hinunter. Vor der Tür zögerten sie.
»Wir haben lange gewartet, um die perfekte Tochter zu finden.« Die Frau streckte die Hand nach der Tür aus. »Jetzt wirst du sehen, warum wir so aufgeregt sind.«
Die Tür schwang nach innen auf. Das Zimmer war hellblau gestrichen, auf der Kommode standen Pokale, an der Wand hingen Sportposter. Die Vorhänge waren geschlossen, doch der blasse Schimmer der Tischlampe fiel auf einen jungen Mann, der in einem Sessel saß. Weil seine Augen geschlossen waren, dachte Andrea im ersten Moment, dass er schlief, vielleicht auch betäubt war, so wie sie anfangs. Aber er bewegte sich überhaupt nicht. Seine Brust hob und senkte sich nicht. Sein Gesicht war fahl und bleich. Er trug Jeans und ein dunkelblaues Polohemd. Seine Arme und Hände lagen auf den Sessellehnen.
Andreas Herz geriet kurz ins Stolpern und schlug dann heftig und unregelmäßig weiter.
»Andrea«, sagte die Frau, »dies ist unser Sohn Tate.« Sie lächelte den Jungen in dem Sessel an. »Tate, das ist Andrea. Die, von der ich dir erzählt habe.« Die Frau lachte. »Ja, sie ist schön.« Sie sah Andrea anerkennend an. »Sie ist perfekt. Sie hat alle Tests bestanden.«
Andrea schwankte. Sie versuchte sich ruhig zu halten.
Mach jetzt keinen Fehler. Mach keinen Fehler!
Sie musste stark sein.
»Tate und Andrea«, sang die Frau. »Das passt einfach.«
Andrea kämpfte gegen die Schwärze an, die versuchte sie in die Tiefe zu ziehen. Sie musste sich zusammenreißen. Die Fesseln war sie immerhin los. Vielleicht bekam sie ja eine Chance zur Flucht, bevor es zu spät war.
»Daddy, hilf Tate, sich fertigzumachen. Er kann schließlich nicht in seinem Glückspolohemd heiraten.«
Andreas Knie gaben nach.
Die Frau stützte sie. »Keine Sorge, Liebes, es ist ganz normal, nervös zu sein, bevor man heiratet.« Sie umarmte Andrea. »Ich bin so stolz auf dich. Du bist die perfekte Frau für meinen Sohn.«
Aber ihr Sohn war …
tot
.
19
BPD
, 14:51 Uhr
Dan holte noch einmal tief Luft, in der Hoffnung, das würde ihm helfen, Ruhe zu bewahren. »Ich habe eine Einheit zu deiner Schwester und ihrer Familie geschickt«, sagte er zu Jess. »Lily weiß, dass Spears sie und ihre Familie ins Visier nehmen könnte, weil die Medien sie ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt haben.«
»Ich habe versucht …«
Er hielt die Hand hoch, um alle Entschuldigungen im Keim zu ersticken, die Jess möglicherweise vorbringen wollte. »Ich habe meinen Kontaktmann beim FBI kontaktiert, um in Erfahrung zu bringen, welche Schutzmaßnahmen sie planen. Ich bin sicher, jetzt, da sie über die SMS von Spears Bescheid wissen, werden sie ihre Zurückhaltung aufgeben.« Obwohl Dan inzwischen Zeit gehabt hatte, die Nachrichten zu verarbeiten, zog sich sein Magen bei dem Gedanken erneut schmerzhaft zusammen.
»Für den
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