In tödlicher Gefahr
„Hast du eine Ahnung, wie falsch das alles klingt?“
„Glaubst du mir nicht?“
„Du bist, wie du selbst zugibst, ein Gauner, Ian. Dein ganzes Leben ist ein einziger Betrug. Nein, ich glaube dir nicht.“
„Ich bin kein Gauner mehr. Ich will mein Leben ändern, vielleicht ein Geschäft aufmachen.“
„Um was zu tun? Kleinen alten Ladys ihre Pensionspennys abzuknöpfen?“
Er ging nicht auf die sarkastische Bemerkung ein, zog an seiner Zigarette, behielt den Rauch einen Moment in den Lungen und stieß ihn langsam aus. „Vielleicht solltest du mit Earl reden, Abbie. Du solltest dir anhören, wie Irene über Chiffre-Anzeigen Kontakt mit ihm aufgenommen hat, wo sie sich getroffen haben und wie sie ihm erklärt hat, der Tod meines Vaters solle wie ein Unfall aussehen.“
„Dann muss er ja einverstanden gewesen sein, den Job gratis zu machen, denn wie wir beide wissen, hatte meine Mutter kein eigenes Geld.“
„Wieder falsch, Schwesterherz. Sie hatte noch Geld aus der Versicherungspolice deines Vaters. Damit hat sie Earl bezahlt. Zweitausendfünfhundert Dollar Vorauszahlung und zweitausendfünfhundert, nachdem der Job erledigt war.“
„Du erwartest also, dass ich dir abkaufe, meine Mutter wüsste, wie sie Kontakt zu einem Auftragskiller aufnehmen kann?“
Er zuckte die Achseln. „Das wusste sie bestimmt nicht. Deshalb hat sie die Anzeige in der Zeitung aufgegeben. Das wird ständig so gemacht. Sieh dir die kleinen Rubriken mal an, wenn du Zeit hast.“
„Ich weiß nicht, wer hier lügt, du oder dein Knastfreund. Aber einer von euch beiden lügt.“
„Weißt du, zuerst habe ich ihm auch nicht geglaubt, aber dann wurde mir klar, dass Earl die Wahrheit sagt. Der Bastard war tatsächlich für den Tod meines Vaters verantwortlich. Am liebsten hätte ich den Hurensohn umgebracht“, fügte er mit dünner, zorniger Stimme hinzu. Seine Wut war Abbies Ansicht nach jedoch gespielt. „Ich wollte sein elendes Leben gleich beenden. Er sollte für den Tod meines Vaters bezahlen und für all das Leid, das über mich und Liz hereingebrochen ist, nachdem Irene uns im Stich gelassen hatte.“ Er senkte die Stimme ein wenig. „Leider wurde er von dickem Sicherheitsglas und zwei Bewaffneten geschützt. Aber auch wenn es möglich gewesen wäre, ich hätte mich nicht an ihm vergriffen. Ich wollte nicht wegen so einem wieder ins Gefängnis kommen.“
Abbie musste zugeben, dass er ausgezeichnet spielte, aber nicht gut genug. „Tut mir Leid, Ian“, sagte sie mit einem herablassenden Lächeln. „Als Kind habe ich dir fast alles geglaubt. Aber ich bin erwachsen geworden und kaufe dir deine pathetische Geschichte nicht ab. Wenn du so klug wärst, wie du glaubst, hättest du das geahnt, ehe du herkommst und dich zum Narren machst.“
Diesmal schien sie ihn getroffen zu haben. Er presste die Lippen zusammen, und der Blick wurde starr.
„Ich bin immerhin klug genug zu wissen, dass mir die Polizei von Palo Alto zuhören wird, wenn ich mit der Geschichte zu ihr gehe, so pathetisch sie auch klingen mag“, entgegnete er schroff. „Und was glaubst du wohl, was die dann machen?“ Er wartete nicht auf eine Antwort. „Als Erstes würden sie Earl befragen und dann Irene. Und egal, wie entschieden sie Kramers Anschuldigungen bestreitet, so würde die Polizei sicher ihre Beziehung zu meinem Vater durchleuchten. Das wäre wohl nicht allzu günstig, stimmt’s?“ Selbstgefällig sah er sie an. „Soweit ich mich erinnere, hatten die beiden doch ständig Streit – laute, hässliche Auseinandersetzungen, die man in der ganzen Nachbarschaft hören konnte. Irene hat sogar mal gedroht, meinen Vater zu verlassen. Danach ist er ausgerastet. Du erinnerst dich an die Nacht, nicht wahr, Schwesterherz? Klar erinnerst du dich. Du bist in Tränen aufgelöst in dein Zimmer gerannt. Oh ja, den Bullen wird es gefallen, den ganzen Schmutz zu hören. Und da es bei Mord keine Verjährung gibt, vermute ich mal, dass die liebe Mommy ganz schön in der Scheiße stecken wird.“
Abbie kämpfte das Gefühl der Panik nieder. Ob Ian nun log oder nicht, in einem Punkt hatte er Recht. Falls Earl auch nur halbwegs glaubhaft klang, blieb der Polizei keine Wahl, als der Sache nachzugehen. Damit würde aus dem ruhigen Leben ihrer Mutter die reinste Hölle werden.
„Wie ich das sehe“, fuhr Ian fort, „habe ich Anspruch auf Entschädigung für den Verlust meines Vaters, dafür, dass Irene mich bei meiner Tante gelassen hat, die nur auf unser Erbe scharf
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