In tödlicher Gefahr
genügend eigene Sorgen, um sich auch noch um meine kümmern zu können.“ Sie zuckte die Achseln. „Ich bin sowieso eher ein Einzelgänger.“
Abbie war froh, das zu hören. Einzelgänger beredeten nicht viel mit anderen. „Sie erwähnten, dass Sie zur Arbeit müssten? Heißt das, Sie haben vor, in Princeton zu bleiben?“
Wieder ein Achselzucken. „Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich mag die Leute im Golden Diner, wo ich arbeite. Kat, eine der Kellnerinnen dort, hat mir angeboten, bei ihr einzuziehen. Dann teilen wir uns die Miete. Es wird ein bisschen eng, aber alles ist besser als dieses Zimmer, wo ich doch nur an Ian denke.“ Sie putzte sich noch einmal die Nase, ehe sie das Papiertuch in den Abfall warf. „Ich fühle mich so verdammt schuldig.“
„Aber Sie können doch nichts dafür.“
„Doch. Ich hätte Ian nicht das Geld für diese Reise geben sollen.“
„Warum haben Sie es getan?“ Sobald sie die Frage gestellt hatte, kam sie ihr ein wenig zu direkt vor, doch Rose schien es nichts auszumachen.
„Ich konnte ihm nie etwas abschlagen. Und er hat unsere gemeinsame Zukunft mit einem eigenen Geschäft sehr rosig gemalt. Der Plan ist mir zu Kopf gestiegen, doch ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte an all die Unternehmungen denken sollen, mit denen Ian bereits Schiffbruch erlitten hatte.“
Abbie mochte diese Frau. „Wo haben Sie Ian kennen gelernt?“
„In Vegas. Ich war Showgirl.“ Sie musste ihrer Besucherin die Überraschung angesehen haben, denn sie fügte hinzu: „Ich war damals zwanzig, trug Konfektionsgröße 36 und hatte Beine, die nicht enden wollten. Und Ian war ein gut aussehender Mann. Er konnte einen charmant einwickeln.“
Das war ebenfalls kaum zu glauben. „Was hatte er in Vegas verloren?“
„Er kannte dort Leute – gefährliche Leute. Ein Jahr nachdem ich bei ihm eingezogen war, mussten wir aus der Stadt flüchten. Irgendwer war immer hinter ihm her.“
„Arturo Garcia zum Beispiel?“
Rose machte ein erstauntes Gesicht. „Ian hat Ihnen von Garcia erzählt?“
„Nein. Detective Ryan. Er wollte wissen, ob ich von ihm gehört hätte.“
„Hoffentlich findet die Polizei ihn.“ Sie schauderte. „Ich möchte nicht, dass er hier auftaucht.“
„Warum sollte er?“
„Hat Detective Ryan das nicht erzählt?“
„Ich weiß, dass Ian als Kronzeuge gegen Arturo ausgesagt hat, aber was hat das mit Ihnen zu tun?“
„Das ist nicht alles. Ian ist auch mit dreißigtausend Dollar abgehauen, die er gerade für Arturo einkassiert hatte. Der Mann will sein Geld zurück. Und wenn er vermutet, dass ich es habe, was nicht stimmt, wird er sich an mich halten.“
„Nach all der Zeit?“
„Männer wie Arturo mögen keine offenen Rechnungen. Das ist schlecht für ihren Ruf, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Abbie erinnerte sich an das wütende Gesicht des Mannes und verstand genau, was Rose angedeutet hatte.
„Das klingt, als sei er gefährlich“, erwiderte sie, begierig nach weiteren Informationen.
„Kann man wohl sagen. Deshalb hatte Ian ja solche Angst vor ihm.“ Sie putzte sich wieder die Nase. „Hat Detective Ryan Ihnen gesagt, dass Arturo am Nachmittag des Mordes vermutlich hier war? In diesem Raum?“
„Nein.“
„Er weiß es erst gesichert, wenn er die Auswertung der Fingerabdrücke hat. Aber ich brauche keine Spurensicherung, um zu wissen, dass der brutale Kerl hier war. Ich spüre es.“ Sie warf einen Blick zur Seite. „Es steht alles da drin.“
Abbie folgte ihrem Blick und sah auf dem Tisch beim Fenster große bunte Karten in Paaren und über Kreuz ausgelegt. Sie lächelte. „Sie lesen Tarotkarten?“
„Seit meiner Teenagerzeit. Ich lebte mit meiner Familie Tür an Tür mit einem Medium. Ich habe mehr Zeit in ihrem Haus verbracht als bei uns. Sie hat mir das Kartenlegen und Kartendeuten beigebracht.“
„Sind Sie gut darin?“
„Bisher habe ich noch keine falsche Voraussage getroffen.“ Rose senkte die Stimme. „Ian hielt das für großen Humbug, aber er hat sich geirrt. Alles, was ich in den Karten gelesen habe, ist eingetreten.“ Nach einem Augenblick fügte sie hinzu: „Sie kommen auch darin vor.“
Abbie glaubte nicht an Übersinnliches, trotzdem fragte sie: „Und was haben Sie gesehen?“
„Sorgen, Ängste und Gefahr. Jemand will etwas Bestimmtes von Ihnen haben.“ Sie ging zum Tisch und tippte auf eine Karte, auf der ein Mann einer Frau eine Kette um den Hals legt. „Ich kann nicht sagen, was derjenige will,
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