In tödlicher Gefahr
Ihrem Souschef begegnet.“
Sie langte nach einem Spender am Rande des Spülbeckens, pumpte sich ein wenig Lotion in die Handfläche und rieb sich die Hände ein. „Und vermutlich hat er Ihnen gesagt, Sie sollten einfach reingehen.“
„Stört Sie das?“
Was sollte sie darauf antworten?
Ja, es stört mich, weil ich unvorsichtig werden und Ihnen etwas erzählen könnte, was ich nicht erzählen sollte?
Stattdessen lächelte sie. „Nein, natürlich nicht.“
Sie ging in den Wirtschaftsraum und nahm ihre Schürze ab. Als sie zurückkehrte, lehnte John Ryan an der Arbeitsplatte und nahm mit seinem wachsamen Blick jedes Detail im Raum auf. Er wirkte entspannt. Aber warum auch nicht? Sie war diejenige, die unter dem Mikroskop lag.
Abbie lehnte sich ihm gegenüber gegen die Kochinsel und versuchte ebenso entspannt zu wirken. „Was kann ich für Sie tun, Detective?“
Er zog die gefaltete Zeitung unter dem Arm hervor und gab sie ihr. „Haben Sie das schon gesehen?“
Sie nahm die Zeitung und hatte größte Mühe, Gleichmut zu mimen, als ihr das hässliche Gesicht des Angreifers vom See entgegenstarrte. „Arturo Garcia“, sagte sie leise, „der Mann, von dem Sie mir erzählt haben.“
„Er wird immer mehr zum Hauptverdächtigen.“
Aufmerksam hörte sie zu, als er sie über die Laborberichte in Kenntnis setzte, über Arturos frühere Verbindung zu Ian in Toledo und seinen Schwur, ihn umzubringen, sobald er wieder auf freiem Fuß sei.
„Nicht herausfinden konnte ich bisher“, fuhr er fort, „warum die beiden mehrere Stunden im Motel geblieben sind und Bier getrunken und Pizza gegessen haben, ehe sie dann im strömenden Regen zum Carnegie See gegangen sind.“ Er machte eine Pause. „Es sei denn, sie wollten sich dort mit jemandem treffen.“
Abbie kam sich vor, als hätte ihr ein Muli in den Magen getreten. „Mit einer dritten Person?“
„Sie wissen schon, einem Kumpel oder sogar einem Komplizen.“
„Soll das heißen, Arturo und Ian hätten sich versöhnt und ein gemeinsames Ding geplant?“
„Das wäre eine Möglichkeit, finden Sie nicht?“
Sie zuckte die Achseln und hoffte, desinteressiert genug zu wirken. „Haben Sie eine Ahnung, wer dieser Dritte sein könnte?“
Abbie fragte sich, ob sein leichtes Zögern kalkuliert oder völlig harmlos war. „Noch nicht. Ich hatte gehofft, dass die Bewohner an dieser Straße etwas gehört oder gesehen haben könnten. Aber dem war nicht so.“
Dem Himmel sei Dank. Vielleicht hielt ihr Glück letztlich doch an. Nicht sicher, ob sie ihre Rolle länger durchhalten konnte, nahm sie die leeren Gemüsekisten vom Boden auf, um sie in den hinteren Raum zu tragen, während John vortrat.
„Lassen Sie mich helfen“, sagte er und nahm ihr die Ladung ab.
Als sein Arm dabei unabsichtlich ihre Brust berührte, verschlug es ihr einen Moment den Atem. Einen Augenblick vergaß sie sogar, dass John Ryan der Feind war, und nahm ihn plötzlich als Mann zur Kenntnis, der ihre Sinne in einer Weise ansprach, wie sie es seit langem nicht erlebt hatte.
„Wohin soll ich das tragen?“ fragte er, offenbar ohne bemerkt zu haben, was gerade eben geschehen war.
„Hm …“ Sie brauchte ein, zwei Sekunden, um sich zu sammeln. „In den Wirtschaftsraum. Dort drüben“, fügte sie hinzu und wies in die Richtung. Sie räusperte sich. „An die Wand bitte.“
Kurz darauf kehrte er in die Küche zurück, nahm ein kleines Salatblatt vom Jackett und legte es auf die Arbeitsplatte. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“
Sie lachte, da ihre Anspannung wieder wich. „Suchen Sie einen Nebenjob, Detective?“
„Nein, nur nach einem Vorwand, noch ein bisschen mehr Zeit mit Ihnen zu verbringen.“
Auf sein unverhohlenes Flirten war sie nicht vorbereitet, und ihr wurde ein wenig warm. „Warum?“
„Weil Sie und ich gestern auf dem falschen Fuß miteinander begonnen haben. In meinem Eifer, die Ermittlungen voranzutreiben, habe ich Sie bedrängt. Ich möchte das wieder gutmachen und Ihnen zeigen, dass ich gar kein so übler Kerl bin.“
Sie wusste genau, worauf er hinauswollte. Auch wenn sie in der hohen Kunst des Flirtens ein wenig aus der Übung war, erkannte sie einen Annäherungsversuch. Die Verlockung, darauf einzugehen, war jedoch nur von kurzer Dauer. Sie konnte sich nicht auf seinen Charme einlassen. Vielleicht täuschte sie sich ja in ihm, und er versuchte lediglich, sie hereinzulegen.
„Ich habe Sie nie für einen üblen Kerl gehalten“, erwiderte sie
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