In Tödlicher Mission
war. Bond hatte nur M in London Bericht erstattet. Er hatte den Gouverneur, der ihm wie ein leicht zu beschämender Mann vorkam, nicht in Verlegenheit bringen wollen. Und es hätte in der Tat ein Fehler sein können, ihn über eine Straftat zu informieren, die allzu leicht zu einer Befragung vor dem Legislativrat führen konnte. Doch der Gouverneur war nicht dumm. Er kannte den wahren Grund für Bonds Besuch in der Kolonie, und an diesem Abend, als Bond ihm die Hand geschüttelt hatte, hatte die zurückhaltende, defensive Art des Gouverneurs Bond verraten, dass er ein friedfertiger Mann war, der Gewalt verabscheute.
Dies hatte die Dinnerparty nicht gerade in Schwung gebracht, und der Flügeladjutant hatte alles geben müssen, um die Gespräche in Gang zu halten und dem Abend einen Anschein von Lebhaftigkeit zu verleihen.
Nun war es erst halb zehn, und der Gouverneur und Bond mussten der Höflichkeit halber noch eine weitere Stunde aushalten, bevor sie mit der Erleichterung, den anderen niemals wiedersehen zu müssen, zu Bett gehen konnten. Nicht dass Bond etwas Spezielles gegen den Gouverneur hatte. Er gehörte zu der Sorte Mann, der Bond überall auf der Welt immer wieder begegnet war – beständig, loyal, kompetent und gerecht: der ideale Kolonialbeamte. Beständig, loyal und kompetent füllte er seit dreißig Jahren kleinere Posten aus, während das Empire um ihn herum langsam zusammenbrach. Er hatte das Leiterspiel geschickt gespielt und nun war er ganz oben angekommen. In einem oder zwei Jahren würde er seinen Verdienstorden bekommen und sich aus dem Staub machen – nach Godalming oder Cheltenham oder Tunbridge Wells, mit einer Pension und einem hübschen Bündel Erinnerungen an Orte wie Trucial Oman, die Inseln über dem Winde oder Britisch-Guayana, von denen niemand im örtlichen Golfclub jemals gehört haben würde. Und doch, dachte Bond an diesem Abend, in wie viele kleine Dramen wie die Sache mit den Castro-Rebellen musste der Gouverneur eingeweiht gewesen sein. Wie viel musste er über das Schachbrett der kleinen Machtspielchen wissen, über das skandalöse Leben in kleinen Gemeinschaften im Ausland, über die Geheimnisse der Leute, die überall auf der Welt in den Regierungsakten lagerten. Wie konnte man in diesem starren, diskreten Verstand einen Funken entzünden? Wie konnte er, James Bond, den der Gouverneur offensichtlich als gefährlichen Mann und als mögliche Gefahr seiner eigenen Karriere betrachtete, auch nur eine interessante Tatsache oder Geschichte aus ihm herausbekommen, um den Abend davor zu bewahren, eine komplette Zeitverschwendung gewesen zu sein?
Bonds achtlose und leicht überspitzte Bemerkung über seinen Wunsch, eine Stewardess heiraten zu wollen, war am Ende einer zwanglosen Unterhaltung über Flugreisen gefallen. Diese war auf unaufhaltsame Weise der Abreise der Millers gefolgt, die ihren Flug nach Montreal kriegen mussten. Der Gouverneur hatte gesagt, dass die BOAC aufgrund des außerordentlich guten Service den Löwenanteil des amerikanischen Flugverkehrs nach Nassau abbekam, obwohl ihre Flüge von Idlewild eine halbe Stunde länger dauerten. Bond hatte sich mit seiner eigenen Banalität zwar selbst gelangweilt, aber dennoch geantwortet, dass er lieber langsam und komfortabel reiste als schnell und unbehaglich. Und dann hatte er die Bemerkung über Stewardessen gemacht.
»Tatsächlich?«, fragte der Gouverneur mit der höflichen und kontrollierten Stimme, von der Bond hoffte, dass sie sich irgendwann entspannen und menschlicher werden würde. »Warum das?«
»Ach, ich weiß nicht. Es wäre nett, eine hübsche Frau zu haben, die sich immer um mich kümmert, mir Getränke und warme Mahlzeiten bringt und mich fragt, ob ich alles habe, was ich möchte. Und immer lächeln sie und wollen gefallen. Und sollte es mit der Stewardess nicht klappen, muss ich wohl eine Japanerin heiraten. Die scheinen ebenfalls die richtige Einstellung zu haben.« Bond hatte nicht vor, irgendjemanden zu heiraten. Und wenn, würde es sicherlich keine geistlose Sklavin sein. Er wollte den Gouverneur damit nur provozieren, um eine Diskussion über ein menschliches Thema anzustoßen.
»Bei den Japanerinnen bin ich mir nicht sicher, aber ich nehme an, Ihnen ist bewusst, dass Stewardessen nur darauf geschult sind, zu gefallen, und sich wahrscheinlich ganz anders verhalten, wenn sie nicht im Dienst sind.« Die Stimme des Gouverneurs klang vernünftig und ernst.
»Da ich eigentlich nicht daran interessiert
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