Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
sagte Franchou, die schönen vollen Wangen gebläht von so heiterer Lüge.
    Ich sprang wie ein Ball in die Höhe.
    »Sofort, ich eile! Miroul, hab gut acht auf meinen Bruder!«
    »Ich wünsche Euch, Herr, gelungenes Dolmetschen in dieser Nacht«, antwortete Miroul, ernst wie ein Bischof auf der Kanzel, und zwackte seiner Viole zwei kleine Akkorde ab.
     
    Ein ander Lied bekam ich am nächsten Morgen zu hören, als ich in aller Frühe auf dem Hof der
Zwei Engel
aus dem Brunnen Wasser schöpfte, um meine zeremoniöse Waschung zu betreiben – eine Gewohnheit oder Wunderlichkeit, die ich von meinem Vater habe, der in seinen Jugendjahren, damals noch nicht von Adel, zu Montpellier Medizin studierte und als eifriger Schüler des Hippokrates der Auffassung war, es gäbe eine natürliche Affinität zwischen dem Wasser und dem menschlichen Körper: das erste helfe dem zweiten, sich gesund zu erhalten. Möge es Gott gefallen – wenn ich mich hier zum Anwalt meines Vaters aufschwingen darf –, daß der Gebrauch des nassen Elements in unserem Jahrhundert und in diesem Königreich größere Verbreitung fände, auch unter den Standespersonen! Denn ich erlebte als Zwanzigjähriger, am Hofe Karls IX., vornehme hübsche Damen, die sich unendlich zierten und putzten, aber nie ein Bad nahmen. Und ist es nicht ein Jammer, daß diese zarten weiblichen Körper unter Seide und Zierat so schmutzig sind wie ein Landmann, der vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang die Scholle bewegt? Wie bald erspürt ein Mensch von feinem Riechorgan den Dreck unter den Parfums, mit denen unsere Schönheiten sich bestäuben!
    In Mespech verabscheute mein älterer Bruder François meine häuslichen Liebeshändel, ich aber ziehe es vor zu sagen: Es lebe Franchou, sofern Franchou sich in klarem Wasser wäscht. Und ein Pfui jener Prinzessin von Geblüt (ihren Namen werde ich nicht nennen), die sich bei Hofe zu rühmen wagte, sie habe den Schmutz von ihren Händen seit acht Tagen nicht entfernt! Und es ging nur um die Hände! Den Rest möge der Leser sich denken.
    Ich war also dabei, mich zu besprengen, als in ihrem gelben Rock unsere schöne Wirtin daherkam, gar nicht liebenswürdig, sondern verdrossen und grimmig, mit mürrischer Braue, der Blick spitz wie ein Degen.
    »Holla!« sagte sie in verbiestertem Ton, »unser stattlicher Hengst ist dabei, sich nach seinem Ritt schmuck zu striegeln!«
    Und da ich in meiner Verwirrung keinen Mucks von mir gab, fügte sie mit hämischem Lachen hinzu:
    »In den Knien etwas weich, will mir scheinen!«
    »Ganz und gar nicht!« erwiderte ich, mich gereizt aufrichtend. »Und stets zu Euren Diensten, Gevatterin!«
    »Ha, Schändlicher, das ist nicht wahr! Letzte Nacht habt Ihr meiner Speise die kalte Schulter gezeigt! Ihr habt nach anderem Hafer gewiehert!«
    Da schon nicht zur Reue fähig, wagte ich es, ein klein bißchen unverschämt zu sein:
    »Gevatterin, ich wollte eigentlich aus beiden Krippen futtern. Doch kaum hatte ich mich vor der einen eingerichtet, wurde mir der Halfter umgelegt.«
    »Sofern dieser Halfter, wie ich vermute, aus zwei schwächlichen Armen bestand, hättet Ihr ihn abstreifen können. Ihr mögt Süßholz raspeln, soviel Ihr wollt, auf Euer Gerede gebe ich nichts mehr. Beginnt mit der einen und endet mit der anderen!«
    »Aber Gevatterin, wenn ich zurückkehre ins Sarladische, liegt die Herberge
Zu den zwei Engeln
wieder an meinem Weg. Wir werden noch manche Gelegenheit haben, uns wiederzusehen.«
    »Laßt die leeren Versprechungen! Räucherbraten mag ich nicht!« Sie wandte sich erregt ab, und über die Schulter hin fügte sie hinzu: »Ein Laffe, wer da glaubt, ich würde auf ihn warten!«
    Der »Laffe« war mir ein arger Nadelstich, den ich mir freilich mit meinem dummen Geprahle von den zwei Krippen verdient hatte.
    »Nun denn, da zwischen uns keine Freundschaft mehr ist«, entgegnete ich frostig, »macht mir die Rechnung, Gevatterin, ich werde abreisen.«
    »Die Rechnung ist schon aufgesetzt!« Mit einem Ausdruck von Triumph und Rache im Gesicht wandte sie sich wieder um. »Drei Essen zu je acht Sols: macht vierundzwanzig Sols. Ganze sechs Sols für das Zimmer, da Ihr es mit anderen geteilt habt. Zwölf Sols für die vier Pferde. Und dann, mein edler Herr, achtzehn Sols für das Mädchen, das Euch die Nacht so annehmlich gemacht hat.«
    Mir verschlug es die Sprache. Schweiß rann mir plötzlich über den Rücken bei dem Gedanken, daß ich meinem lieben Samson – er gebot über unsere Börse –

Weitere Kostenlose Bücher