In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
den Grund erklären müßte für eine so unmäßig große Zusatzausgabe.
»Was denn! Ich soll eine Gunst bezahlen, die man mir schenkt?« fragte ich.
»Hängt davon ab, wer sie schenkt«, antwortete die Wirtin.
»Potz Daus! wie der Baron sagen würde. Ich soll zahlen für ein Mädchen, das in mich vernarrt ist?«
»Ihr versteht mich nicht, Moussu!« sagte die Wirtin eiskalt. »Ihr zahlt nicht für besagtes Mädchen, sondern weil Ihr sie zu meinem Schaden eine ganze Nacht dem gemeinschaftlichen Gebrauch entzogen habt.«
»Ja wo bin ich denn hier?« rief ich, die Fäuste in die Hüften stemmend. »In einem Bordell?«
»Nicht doch, mein Herr!« gab die Wirtin zurück. »Ihr befindet Euch in einer ehrbaren christlichen Herberge, wo man sich um das Wohlbefinden der Reisenden sorgt.«
»Um das christliche Wohlbefinden!« bemerkte ich spöttisch.
Doch dann schwieg ich, weil ich spürte, daß solche Anzüglichkeit mir gewaltig auf die Nase zurückfiel. Auch stand die Wirtin unverrückbar wie ein Fels vor mir, weshalb ich Ton und Miene änderte: ich lächelte, beschenkte sie mit einem Blick, schmeichelte ihr. Alles vergebens! Sie wankte nicht. Bis ich endlich begriff, daß ich mich, um sie zu besänftigen, mit ihr auf andere Weise einigen mußte.
Das Wie kann sich der Leser selbst ausmalen, doch möge erkein gar zu strenges Urteil über mich fällen, war ich doch eben erst meinem Nest in Mespech entflogen, ein junger Gimpel, der sich noch gern auf jedem Ast niederließ. Von Natur bin ich kein Bruder Leichtsinn. Zudem wollte ich meinen geliebten Bruder weder in seiner Seele noch in der Obwaltung unserer Börse kränken, und das wog schwer bei meiner Entscheidung.
Katzenjammer liegt mir hier freilich fern. Es war dies kein so großes Opfer, obwohl ich mich zunächst mürrisch dreinschickte. Aber die Wirtin war es wert, selbst nach den Ermüdungen der verstrichenen Nacht, den Hosenschlitz aufzutun. Tausend Teufel, welch feuriger Ofen! Und welch köstlicher Gedanke für mich, daß ich der Blasebalg war, der diese Schmiedeglut anfachte. Ach, welch ein Jammer, sann ich, erschöpft und zufrieden, während ich meinem Zimmer zustrebte (wo Samson noch schlummerte, im Verein mit zwei dicken Mönchen), welch ein Jammer, daß die dem Körper wie auch der Seele so zuträglichen Vergnügungen in des Herrgotts Augen als sündig gelten außerhalb der Ehe! So jedenfalls lehrt man es uns. Und es muß wohl auch wahr sein, wenn beide Glaubensrichtungen des Königreiches, die reformierte wie die katholische, sich darin einig sind.
ZWEITES KAPITEL
Ich wollte vermeiden, daß Samson aufwachte; also begab ich mich in den Raum nebenan, schlüpfte in das leere Bett Mirouls, der sicherlich schon beim Striegeln der Pferde war, und streckte meine Glieder auf dieser schmalen Pritsche aus, die Lenden wohlig matt, die Lider schwer.
Wie gar verwundert war Samson, als er mich am hellen Tag da ruhen sah, obwohl ich in Mespech immer der erste auf den Beinen war. Gegen Mittag endlich entschied er sich, mich zu wecken, und ich erzählte ihm, während ich mir die Augen rieb, wie sehr mich mein Dolmetschen ermüdet habe, schämte mich freilich ein bißchen meiner Lüge, da er mich gar sehr bedauerte. Was bist du doch für ein schöner Engel, mein Samson, dachte ich, aber ein guter Wächter – sehr zum Wohle meiner Sünden – bist du nicht!
Unterdessen tat Caudebec sich’s gütlich in dieser Herberge. Am Abend hatte er mir gesagt, er wolle im Morgengrauen aufbrechen. Doch zu Mittag – er hatte keinen Samson an seiner Seite – schnarchte er noch, und als er um drei Uhr die Augen aufschlug, rekelte er sich und verlangte Braten und Wein. Nachdem er getrunken und gegessen, erklärte er, der Kluge wisse seine Reittiere zu schonen, er wolle den Pferden Erholung gönnen und bräche erst am folgenden Tage auf. Folgenden Tags aber schlief er um Mitternacht über den Brüsten eines Mädchens ein und öffnete die Augen erst am Mittag darauf. Vielleicht hätte er sich, die Abreise Tag um Tag hinausschiebend, reihum mit allen zwölf Zimmermädchen gütlich getan, wenn nicht Bruder Antoine ihn daran erinnert hätte, daß seine Ehegemahlin auf Schloß Caudebec am Fieber hinsiechte und der Baron, falls er weiter säumte, Rom erst erreichen würde, wenn die Kranke schon in Gottes Frieden eingegangen wäre.
So geschah es, daß die Brüder Siorac und ihr Diener Miroul, an einem Sonntag in der Herberge
Zu den zwei Engeln
eingetroffen, im Verein mit den
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