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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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einem hübschen Kompliment, das ihre goldfarbenen Augen leuchten ließ.
    »O Pierre, Ihr redet mit Honigsüße«, sprach sie schmachtend, »Eure Zunge ist göttlich.«
    »Wer wüßte das besser als Ihr«, hauchte ich ihr ins Ohr.
    »Frechling!« sagte sie halb lachend, halb verdrossen, »Ihr seid der Teufel, der mich in Versuchung führt. Ein Jammer, daß ich meinem Mann so treu und eine gute Katholikin bin, die alle Tage betet und beflissen beichtet. Ach, wäre ich die Thomassine! Sagt, hat sie viele Liebhaber?«
    »Viele.«
    »Ach«, sagte sie, »warum muß den einen alles zufallen, den anderen nichts. Aber was tut Ihr da, Scheusal?«
    »Madame, ich hake weiter auf, Ihr seid ganz rot und am Ersticken. So, nun werdet Ihr Euch wohler fühlen.«
    »Scheusal, Ihr geht zu weit. Ich bin so schwach, und Ihr so voller Kraft und so tyrannisch (sie bot mir ihre heißen Lippen dar). Ha, Scheusal! werdet Ihr mir, wenn ich mich immer wieder wehre, auch nicht zuwiderhandeln? Solltet Ihr etwa versucht sein? Werdet Ihr mir nicht Gewalt antun?«
    »Oh, Madame, gewiß bin ich versucht, wie denn auch nicht! Doch wenn es Euch beleidigt, zieh ich mich ungesäumt zurück.«
    Ich machte Anstalten, mich von ihr zu lösen. Aber wie wenig behagten der Dame in solchem Augenblick meine Skrupel, mit welchem Ungestüm hielten die schwachen Arme mich zurück!
    »O Pierre, alles ist meine Schuld, ich habe Euch zu lange dürsten lassen, verziehen sei das Feuer Eurer Jugend, wie solltet Ihr da nicht Gewalt anwenden? Ich bin verrückt! Scheusal, was tut Ihr? Wollt Ihr mich schlagen? Was! werde ich vergewaltigt wie ein junges Mädchen hinter der Böschung? Ha, Scheusal! Pierre! Mein Schatz …«
     
    Als ich aus dem Palais Joyeuse leichten Fußes zu Meister Sanche zurückkehrte, geriet ich in der Rue de la Barrelerie an Schneider Martínez, der auf seiner Schwelle die Frische genoß, wie man es in Montpellier fast zu jeder Jahreszeit tut. Als er mich sah, erhob er sich, nahm mich beim Arm und bat mich auf einen Becher Frontignan in sein Haus. Ich willigte ein, daich ihn nicht vor den Kopf stoßen mochte, jedoch auch begierig war, seine vier Töchter wiederzusehen, und ich wurde nicht enttäuscht, sie saßen in seinem Ladenraum artig brav über Nadelarbeiten. Bei meinem Eintreten hoben sie die Köpfe und musterten mich mit ihren Gazellenaugen, die weichen Glanz auf ihre aprikosenfarbenen Wangen legten; ich rede gar nicht erst von ihren roten Mündern, die nicht der Schminke unserer Hofdamen bedurften. Sie tauschten heimliche kleine Blicke und Lächelmienen und schwangen dann weiter die Nadel. Martínez sah mein Auge gar beschäftigt und sagte, er wolle eine Flasche Muskateller und zwei Becher holen. Allein geblieben bei den Mädchen, seufzte ich und sagte halb im Ernst, halb spaßend:
    »Ach, meine Damen, wäret Ihr Muselmaninnen, ich würde mich auf der Stelle bekehren und Euch alle vier heiraten.«
    Sie lachten geziemend, den hübschen Mund hinter der Hand, doch von den Füßen bis zum Scheitel erbebend, so heftig kann ein Heiratsangebot, auch wenn im Scherz nur vorgebracht, junge Mädchen in rätselhafte Wallung versetzen. Was aber bringt die Heirat ihnen ein: den undankbaren, tyrannischen Ehemann, die Plackerei der Haushaltsführung, alljährlich ein Kind und früher oder später den Tod im Kindbett.
    »Wie denn, Herr, alle vier? Und Ihr gäbt keiner den Vorzug?« fragte Ines, die älteste.
    »O doch, aber das ließe sich erst im Umgang ermitteln.«
    Sie erröteten, sagten aber kein Wort (das Gezwitscher setzte zu Abend in den Betten ein, die sie im selben Zimmer paarweise belegten), zumal sie schon die Schritte ihres Vaters hörten und nun noch fleißiger die Nadel schwangen.
    Martínez steckte den Kopf zur Tür herein und bat: »Monsieur de Siorac, wollet bitte in meine Werkstatt kommen. Da redet es sich besser.« Dort schloß er die Tür, goß mir einen Becher Frontignan ein, musterte mich mit seinem feinen Auge und sagte:
    »Monsieur, wenn Ihr abermals ein Wams und ein Beinkleid von der bewußten Farbe wünscht, fertige ich sie Euch kostenlos.« Er sah mich große Augen machen, war wohl über die eigene Großzügigkeit verwundert und fügte hinzu: »Will sagen: zum halben Preis dessen, was ich beim erstenmal genommen habe, womit noch nicht einmal der Stoff und die Arbeit bezahlt sind.«
    Mein stiller Gedanke war, daß er sogar noch zu diesem Preis seinen Schnitt machte, aber ich sagte ihm Dank und fragte nach dem Grund für sein

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