In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Vereitelung krummnehmen, und sie haben ein langes Gedächtnis.«
»Hauptmann, wann kommen wir wieder frei?« fragte Merdanson.
»Zur Nacht. Einzeln durch eine geheime Hintertür. Ausgenommen Siorac, mit dem ich etwas anderes vorhabe.«
Eine Stunde später hielt eine Kutsche mit zugezogenen Vorhängen vor der erwähnten Tür.
»Pierre«, sprach Cossolat und nahm mich beiseite, »laßt Eure Fastnachtskleidung hier. Madame de Joyeuse schickt nach Euch. Erscheint vor ihr im blauen Wams. Und über den Popanz kein Wort, Pierre.« Er spießte mir den Zeigefinger in die Magengrube. »Ihr wart nicht dabei, habt ihn nicht gesehen. Doch von der Apfelsinenschlacht erzählt, soviel Ihr wollt. Tut alles, um Madame de Joyeuse zu erheitern, sie möge hingerissen von Euch sein. Und gute Gründe haben sich zu erinnern, daß sie den Karnevalsnachmittag mit Euch verbracht hat.«
Wohlig rekelte ich mich in dieser vergoldeten Karosse beim Gedanken an die Gefahren, denen wir knapp entkommen waren. Und staunte über Cossolat: selbst im Hause der Madame de Joyeuse hatte der Hauptmann seine Lauscher.
»Scheusal!« rief Madame de Joyeuse, als ich mich ihr zu Füßen warf und ihre Hände küßte. »Scheusal!« wiederholte sie mit leuchtenden Augen, »immer müßt Ihr tyrannisieren mit Euerm Schabernack! immer auffallen! alles niederreißen ohne Pardon! Immer soll man Euch nachgeben!«
»Oh, Madame, so viele Vorhaltungen wegen eines kleinen Aufruhrs?«
»Klein, Monsieur? Von Euch ist gar in kleinen Reimen die Rede, die dem Popanz von Meister Sanche anhafteten.«
»Hab keinen Popanz nicht gesehen«, sagte ich prompt. »Ich saß im Gefängnis, wegen der Sache mit den Apfelsinen.«
»Aber Justin hat ihn gesehen, und Aglaé wird Euch den Schmähreim wiederholen.«
»Oh, Madame, das wage ich nicht«, sagte Aglaé und kehrte die scheue Jungfrau hervor.
»Nun, ich aber wage es! So hört, Monsieur:
Dem hodenlosen alten Bock zieht dessen Schüler vor der junge Rock.
«
»Eine Infamie, Madame!« sagte ich. »Im übrigen ist der Vers schlecht: da fehlen Füße.«
»Was scheren mich die Füße«, sagte Madame de Joyeuse. »Scheusal, Ihr steht mir ohne Umschweife Rede und Antwort. Was hat es auf sich mit dem neuchristlichen jungen Rock und dem genannten Schüler?«
»Madame, wenn es so wäre, würde die Ehre einer Dame mir die Lippen versiegeln«, sagte ich ernst. »Doch die Sache ist so falsch wie eines Kapuziners Bescheidenheit. In Wahrheit hasse ich diesen Rock.«
Und ich erzählte der staunenden Madame de Joyeuse die Geschichte meiner armen Fontanette.
»Nun, mein Gott«, sprach Madame de Joyeuse, die ein gutes Herz hatte, sich aber nicht um ein einfaches Kammermädchen bekümmerte, »verdient das so viel Umstände? Die Kleine wird halt in ihr Dorf zurückgekehrt sein.« Und in strengem Ton fortfahrend: »Also brauchtet Ihr auch dieses junge Ding, Monsieur? Die Thomassine war Eurer Lüsternheit nicht Genüge?«
»Die Thomassine, Madame?«
»Leugnet nicht, Cossolat hat mir alles gesagt. Und kommt mir jetzt nicht mit der Ehre der Thomassine. Erzählt mir endlich alles. Ich beharre darauf.«
»Alles? Vor den Damen Eures Gefolges, Madame, deren einige Jungfrau sind?«
Dies entzückte Madame de Joyeuse, sie wandte sich an ihre Damen und sagte mit schmachtender Stimme:
»Monsieur de Siorac hat recht. Meine Damen, zieht Euch zurück. Es gibt Dinge, die ein junges Mädchen besser nicht hört.«
»Euer Stöhnen vielleicht«, preßte Aglaé leise zwischen den Zähnen hervor (jedoch laut genug, daß ich es wohl verstand), indes die Damen sich zurückzogen.
»Pierre«, sprach Madame de Joyeuse, »Euern Arm bitte, führt mich in meinen Alkoven, ich weiß nicht, diese Hitzewellen, ich drohe zu ersticken, schnürt mir bitte das Mieder auf. Was seid Ihr für ein artiges Kammermädchen, mein Liebster, Eure Hände so behutsam, so liebkosend Eure Blicke (und in der Tat behagte mir mein Tun über die Maßen). Aber ich weiß nicht, Pierre, ob ich mich Euch so ungewappnet ausliefern soll, Ihr seid ein so großer Tyrann und habt kein Erbarmen.«
Ich erwiderte nichts, denn ich kannte das Sinnen und Trachten dieser Dame und mochte sie weder drängen noch zügeln.
»Ach, hakt mir auch das hier noch auf«, sprach sie seufzend. »Mein Gott, beinahe nackt bin ich jetzt, Pierre, zieht die Vorhänge dieses Baldachins zu.«
Doch als die Vorhänge (von der bekannten Farbe und wenigverdunkelnd) geschlossen waren, sah ich sie noch ebensogut. Ich bedachte sie mit
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