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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Fogacer bezeichnete damit auch unseren hugenottischen Kult), erbebte ich bei dem Gedanken, welche Gefahren dem Bakkalaureus drohten. Auch wenn wir für unsere Henker nur einen einzigen Leib haben und Fogacer darum nicht zweimal – als Atheist und als Sodomit – verbrannt werden konnte, war dieses eine Mal schon zuviel. Eine gräßliche Vorstellung um so mehr, als ich den Mann kannte und ihn sehr schätzte.
    »Fogacer«, sagte ich, um unser Sinnen von dem Scheiterhaufen abzulenken, »Cossolat meint, daß hinter diesen Popanzen übelgesinnte einflußreiche Leute stecken, die im verborgenen arbeiten.«
    »Das meinen wir auch«, sagte Fogacer. »Wie Ihr wißt, hat die gegen das Joch der Spanier gerichtete Revolte der niederländischen Reformierten Philipp II. zu dem Entschluß gebracht, längs der französischen Grenze eine starke Armee auszuschicken, um die flandrischen ›Geusen‹, wie er sie nennt, zur Räson zu bringen. Nun, die von Euch erwähnten einflußreichen Leute erwarten nichts sehnlicher, als daß die mit unserem König verbündeten Spanier, wenn sie erst die Geusen vernichtet haben, dann auch in Frankreich die Reformierten ausrotten. Ihr meint, das hätte nichts mit den Popanzen zu tun? Weit gefehlt! Selbige Leute, denen für die Erreichung ihres Zieles kein Mittel zu gemein ist, hoffen, durch ihre Schmähungen der Neuchristen, Atheisten und Sodomiten den Weg zu den Scheiterhaufen zu ebnen, darauf zu gegebener Zeit die Hugenotten brennen werden.«
    »Oh, dann war es nur recht, daß ich den schändlichen Popanz zerstört habe«, sagte ich.
    »Und Ihr tätet gut daran, künftig besser auf Euer Leben zu achten, denn wie sehr Euch auch Cossolat, Monsieur de Joyeuse und die Neuchristen schützen mögen, jene anderen Leute sind mächtig und haben die erforderliche Geduld.«
    Ich hätte diese klugen Ratschläge besser befolgen sollen, doch Bedachtheit ist meinem Naturell leider nicht eigen. Bei der Unternehmung, von der ich jetzt berichten will (mein Vater nannte sie in seinem zornigen Brief
atrocissima
) beflügelte mich freilich auch meine große Liebe zur Medizin.
     
    Zu Ostern schlossen an unserer Medizinschule die Professoren ihre Vorlesungen, und mochten Saporta und Bazin auch bis Juli und August Privatunterricht abhalten, der allerdings zu berappen war, so bedauerten wir sonderlich die Abwesenheit von Doktor Feynes und Doktor d’Assas, die sich auf ihre Landsitze zurückzogen, ersterer um da in elegantem Latein an seinem Buch über die Blattern zu schreiben, der andere um sich, in Lässigkeit und Wonne, der Pflege seines Weingartens wie des Hausmädchens Zara hinzugeben. Vor allem aber war auch Schluß mit den Sektionen, deren es, entgegen den Versprechungen von Dekan Bazin, aus schändlicher Knauserei nur drei gewesen waren. Die dritte gar, sehr zu unserem Zorn, an einem Affen vorgenommen! Von sechs Sektionen zu Zeiten Rondelets nur noch drei (darunter ein Affe) – das war ein Jammer.
    »Siorac«, wandte sich eines Abends Merdanson an mich, während wir in den
Drei Königen
speisten, »solchen Wortbruch will ich nicht hinnehmen. Wozu hat Rondelet dieses beschissene anatomische Theater überhaupt erst eingerichtet, wenn es da pro Jahr nur drei Sektionen gibt? Fötus Bazin hatte vier versprochen. Drei, das ist blanker Hohn! Wie sollen wir in der Kenntnis des menschlichen Körpers vorankommen, wenn wir noch im Jahre 1567 wie die Papageien wiederholen, was Galenus und Hippokrates Jahrhunderte vor Christi Geburt geschrieben haben?«
    »Diesem Mangel zu begegnen, sehe ich eine Möglichkeit«, sagte Carajac leise.
    Der Chirurgenlehrling Carajac, neben dem Merdanson trotz seiner breiten Schultern hager wirkte, war von Haut und Haar so dunkel, daß er wie ein Türke aussah, was nicht sonderlich verwundern mochte, wenn man bedachte, wie oft diese Heiden während der letzten fünfzig Jahre in Aigues-Mortes eingefallen waren, seiner Heimatstadt, die er über den grünen Klee lobte, sofern er den Schnabel überhaupt auftat; denn er war von Natur sehr still.
    »Und welche wäre das?« fragte Merdanson.
    »Kennst du Cabassus?« fragte Carajac.
    »Den Abbé, den sie beim Karneval mit einem Popanz verhöhnten und als Atheisten anprangerten?«
    »Eben den. Er ist Abbé im Kirchspiel Saint-Denis von Montpellieret, welches einen Friedhof besitzt, aus dem die papistischen Priester großen Gewinn ziehen, indem sie sich für jedes Grab, das da aufgetan wird, gutes Geld geben lassen.« Carajac schnappte nach Atem, gleichsam

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