In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
unverzüglich über die Juristen herfallen. Doch ich ermahnte sie zumehr Bedacht: wir sollten unsere Masken anlegen, den Kerlen freundlich anbieten, den Popanz mit tragen zu helfen, und dann erst zuschlagen. So geschah es dann auch. Das Moment der Überraschung hatten wir auf unserer Seite. Ehe die Juristen sich versahen, waren sie wild attackiert und lagen bald schon mit blauem Auge, gespaltenem Kiefer und eingeschlagenen Zähnen am Boden. Und mein Samson, in seinem Zorn schön wie der Erzengel Michael, zerlegte den Popanz in seine Teile, riß ihm die Arme aus, brach ihm die Glieder, zerfetzte das Gewand, trampelte auf der falschen Nase herum und zündete die kläglichen Reste an. Das stolze Werk, darauf die Juristen so viele Stunden eifriger Arbeit verwendet, brannte binnen einer Minute lichterloh.
Aber freilich, nahe dem Kapitol ist der Tarpejische Fels: just im Augenblick unseres Triumphes gerieten wir in große Gefahr. Die Menge vermeinte, wir wollten uns auch über die anderen gar schönen Figuren hermachen, und nahm rings um uns so mürrische und bedrohliche Haltung ein, daß wir fürchten mußten, sie würden uns gleichermaßen in Stücke hauen. Da nutzte es nichts, daß ich ihnen erklärte, wir hätten lediglich unseren Meister rächen wollen, der solche Schmähung nicht verdiene. Mit jedem meiner Worte geriet das Volk noch mehr in Zorn, ringsum nur grimmige Blicke, geschwungene Fäuste und Mordsgeschrei. »Drauf auf sie! Drauf auf diese Schurken! Sie wollen uns das Spiel verderben! Gebt es ihnen! Kein Zögern, Brüder, hauen wir sie kurz und klein!«
Schon rüsteten wir uns zu einem vielleicht tödlichen Kampf, als eine Stimme – es war die von Miroul, erfuhr ich später, der sich flink ins dichteste Feindesgewimmel gemischt hatte – laut rief: »Achtung! Vorsicht! Da kommt Hauptmann Cossolat!« Andere nahmen den Ruf auf, ungeprüft, bis von einem Ende des Platzes zum anderen nur noch der Name des Hauptmanns zu hören war, der zu diesem Zeitpunkt in der Rue de l’Espaze rie vollauf zu tun hatte, die Tollheiten der Maskierten zu zügeln; doch als er, näher und näher, seinen Namen rufen hörte und daß man ihn am Barbote-Turm begehre, wo ein Aufruhr im Gange, preschte er hin mit seiner Garde, so daß – zu unserer großen Erleichterung – der Wolf, als er gerufen ward, denn auch tatsächlich kam.
Die Menge spendete ihm Beifall und wies auf uns, zieh uns,laut sich ereifernd, der Schurkerei, wir hätten eine Fastnachtsfigur verbrannt und die Träger verprügelt.
»Wie denn!« schalt Cossolat und zwinkerte mir gleichzeitig zu (also hatte er mich trotz meiner Maske erkannt), »einen Popanz zerstören? am Fastnachtstag? das ist ein schändliches Verbrechen! Meine Herren, folgt mir jetzt unverzüglich ins Stadtgefängnis, Ihr seid verhaftet!«
Merdanson wollte den Mund aufmachen, doch ich versetzte ihm einen Rippenstoß und hieß ihn schweigen: wichtig sei nur, der mörderischen Menge zu entkommen.
Als wir aus dem Gewühl heraus waren, beugte sich Cossolat vom Pferd zu mir herab und bemerkte halb ernst, halb spöttisch:
»Monsieur de Siorac, wo immer eine Schlägerei im Gange ist, find ich Euch mittendrin.«
»Es mußte sein, Hauptmann! Habt Ihr den schändlichen Popanz gesehen?«
»Hab ich«, sagte Cossolat, die Stimme senkend, mit düsterer Miene. »Ich hab ihn gesehen, als er noch heil war, und ahne Schlimmes, denn hinter diesen albernen Juristen, die nur grüne dumme Jungen sind und allen Einflüsterungen folgen, stehen Leute, die man fürchten muß. Sie wühlen unter der Oberfläche und wissen, wenn auch blind wie Maulwürfe, sehr gut zu graben. Pierre, merkt Euch dies: Wenn man sich an den Neuchristen ausläßt, ist die Inquisition nicht weit und rüstet ihre Waffen gegen die Hugenotten. Es sind Gerüchte im Umlauf, und nicht von ungefähr. Die Medici, heißt es, neigt neuerdings dazu, dem Spanier zu schmeicheln, und den Preis ihrer Pläne, den kennt Ihr. Wir gehen neuen Verfolgungen entgegen.«
Er hatte sehr leise gesprochen, dann blieb er stumm, bis das Gefängnis erreicht war. Dort sperrte er uns in einen mit Tisch und Schemeln bestückten Raum und ließ uns schwören, daß wir unsere Heldentat nicht prahlerisch an die große Glocke hängen: kein Sterbenswort sollten wir darüber verlieren.
Wir waren sehr verwundert, hatten wir doch in alledem nur eine Katzbalgerei zwischen Juristen und Medizinern gesehen. Er aber fügte hinzu:
»Die Anstifter dieser Verunglimpfung würden Euch deren
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