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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unserer Verfügung, die wir öffnen und erkunden können, eine männliche und eine weibliche. Das ist wunderbar! Eine ganze Nacht lang ohne Professor, ohne Prosektor und ohne Doktor zwei Leichen allein für uns! Freunde, in dieser einzigen Nacht bringen wir unser Medizinwissen weiter voran als in einem ganzen Studienjahr!«
    Hierauf Carajac und Merdanson mir beipflichteten: ich hatte sie überzeugt. Und kümmerte mich nun, zum Anführer der Unternehmung geworden, um die Einzelheiten.
    Wer uns drei folgenden Tags zur Nachtzeit gesehen hätte – schwarz gekleidet und maskiert, die Pistole im Gürtel, das Kurzschwert an der Seite, beladen mit Stricken, Stöcken, Kerzen und Decken, Merdanson die noch nicht angezündete Blendlaterne tragend –, wer uns da gesehen hätte, in etlichen Klaftern Abstand zueinander lautlos hinschreitend, der hätte uns wohl keine gute Absicht unterstellt.
    Lang war der Weg von Montpellier zum Sprengel Saint-Denis in Montpellieret. Der Wächter am Stadttor, weinbezecht, hatte kaum einen Blick für uns. Und als Carajac bei Cabassus anklopfte und seinen Namen flüsterte, gab der Abbé uns Einlaß, schloß flugs die Tür und sprach mit seiner Fistelstimme:
    »Meine Brüder, nehmt Platz und eßt von diesem Hasen aus eines Nachbarn Stall: ihr müßt euch stärken für die anstehende harte Arbeit. Carajac, deine Flasche, damit ich sie öffne! Meine Brüder, speist und trinkt. Dies ist nicht mein Fleisch und der edle Wein ebensowenig mein Blut. Dies alles ist Materie, Gott sei Dank – sofern ich dem Nichtexistierenden danken darf. Materie ist Materie. Sie ist. Mehr weiß der Mensch darüber nicht zu sagen. So wie mein Meister Heraklit es lehrt: die Welt ist eins, kein Gott hat sie erschaffen.«
    Doch weil niemand mit ihm disputieren mochte, tat keinerihm Antwort. Der Hase, schmackhaft zwar, füllte uns den Magen nicht. Wir hatten das Herz zwischen den Zähnen, selbst der Wein brachte uns nicht in Stimmung. Mühsam kauten wir die düstere Totenspeise, und die Gotteslästerungen unseres Gastgebers machten sie um nichts bekömmlicher.
    »Eure Hugenotten haben die Jungfrau und die Heiligen abgeschafft«, sagte Cabassus mit so gellender Stimme, daß es dem Ohr eine Folter war. »Warum aber haben sie nicht auch Jesus auf sein Menschenmaß gebracht? Jesus war Jude. Wie alle Leute seines Volkes liebte er das Weissagen, und da er ehelos lebte, machte ihn die Kompression der animalischen Geister gesprächig. Seine Jünger redeten ihm ein, er könne Wunder vollbringen; das tat er, doch es wimmelte an Wundern, allseits bezeugt, in diesen Zeiten der Leichtgläubigkeit! Obendrein bedachte Jesus mit verächtlichen Worten die Hohenpriester, weshalb selbige, von geringer Duldsamkeit, ihn kreuzigen ließen. Hätten sie es nicht getan, hielte ihn heute niemand für göttlich. Und ich, Cabassus, so wie ich es in meinem Nego schreibe, ich lache darüber, daß vier Nägel und zwei Balken aus Jesus Christus einen Gott gemacht haben sollen!
Et si foret in terris Heraclitus, eodem modo rideret.
1 «
    »Cabassus, bitte, aus Achtung vor Euren Gästen, unterlaßt diese grausigen Reden«, sagte ich mit zugeschnürter Kehle. »Fast kommt mir Euer Hase wieder hoch!«
    »Nicht minder steht die Frage, wie ein Scheißatheist Priester wird«, sagte Merdanson.
    »Scheißchrist, der Ihr seid, spannt Ihr den Pflug vor die Ochsen«, erwiderte Cabassus. »Priester bin ich geworden, weil ich begierig war, mir Wissen anzueignen, und dies tuend, habe ich meinen Glauben verloren.«
    »Der ist zum Teufel gegangen«, sagte Carajac, ganz blaß geworden.
    »Irrtum! Irrtum! An den Teufel glaube ich sowenig wie an Gott!« kreischte Cabassus.
    »Ohne Gott und ohne Teufel ist die Welt ohne Sinn!« rief ich.
    »Mitnichten! Sie hat einen Sinn. Sie ist!« sagte Cabassus.
    Da wollte ich nicht weiter streiten, erhob mich von meinem Schemel und sagte:
    »Freunde, es ist finstere Nacht. Setzen wir die Masken auf, gehen wir ans Werk!«
    Merdanson zündete die Blendlaterne an, und wir folgten Cabassus hinaus in den Gemüsegarten, der an den Friedhof grenzte. Wir brauchten hier nur über eine niedere Rosmarinhecke hinwegzusteigen, während andernorts der Gottesacker von einer soliden, zwei Klafter hohen Mauer umschlossen war, nach Cabassus Worten noch versehen mit Fallen gegen das auf Grabraub bedachte Gesindel.
    »Hier ein Stück Kreide«, flüsterte Cabassus mir zu, »zeich net die Gräber, damit Ihr leichter den Weg zurückfindet.«
    »Ihr wollt uns nicht

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