In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Schönheit und engelhaften Freundlichkeit. Ich weiß nicht und will auch nicht wissen, ob Ihr geschossen habt. Wenn ja, kann ich es Euch nicht verargen. Im Gegenteil. Der arme Cabassus hat so gelitten! Und uns Neuchristen, die wir in Spanien selber viel zu leiden hatten, lassen die Marterungen der anderen nicht ungerührt. Wenn man Euch der Gottlosigkeit zeiht, sage ich: gemach!
Nemo propius ad deum accedit quam qui hominibus salutem dat et beneficium.
1 War es nötig, erst noch Stroh zu holen ? Ihr handeltet nach Euerm Herzen, welches edel und beständig ist.
Cor nobile, cor immobile.
2 Beim Hippokrates, ich konnte die Schreie dieses Unglücklichen nicht mehr ertragen! Mir war, als schrien aus seinem Munde die jahrhundertewährenden Leiden Israels, doch ich habe feige den Kopf unter die Decke gesteckt! Ihr, mein lieber Neffe, habt gehandelt! Nehmt die Wut, die Euch entgegenschlägt, nicht leicht. Der Vorwurf der Gottlosigkeit ist schnell getan. Was zählt am Ende: die Gottesfurcht oder das Erbarmen? Oder kehren wir es um: kann gottesfürchtig sein, wer ohne Erbarmen ist? Mein Neffe, Euer Gewissen strahlt so rein wie die Blätter eines im Saft stehendenBaumes. Bewahrt es Euch, bitte; es ist Eure Stärke!
Murus aheneus conscientia sana.
1 Mein Neffe, ich segne Euch im Namen des Herrn Adonai, amen.«
Er umarmte mich herzlich, dann zauste er sich wild den Bart, den Tränen nahe, und ging davon, gebeugter denn je und einen seiner schönen lateinischen Sprüche murmelnd, die ihm Tröstung waren in seines Lebens Widrigkeiten, daran es ihm bei den Launen seines Eheweibes nicht fehlen mochte.
Auf dem Gang zwischen Offizin und Logis begegnete mir Typhème, die den dunklen Flur mit ihrer maurischen Schönheit jäh erhellte. Sie blieb vor mir stehen und sprach mit gesenktem Blick:
»Ihr wollt uns verlassen? Das Haus wird leer sein ohne Euern Bruder und Euch.«
In zehn Monaten hatte sie keine zehn Worte zu mir gesagt, so eisern übte sie ihre jungfräuliche Zurückhaltung, weil sie Doktor Saporta versprochen war und in die Ehe eintreten wollte wie in den göttlichen Dienst; und welches Kloster hätte düsterer sein können als das knausrige Heim des Professors, welche Oberin argwöhnischer als die verlebte Gorgone, seine Hausbedienstete? Ich war baß überrascht, daß sie mich ansprach, und brachte kein Wort hervor. Sie fuhr fort:
»Aber ist es wahr? Concepción hat es mir gesagt.«
»Ist denn Concepción noch im Haus?« fragte ich. »Hat nicht der hochrühmliche Meister sie fortgejagt, weil sie an meiner Tür gelauscht hatte?«
Sie errötete und blieb stumm; vielleicht wußte sie oder ahnte, was Concepción hatte hören wollen.
»Um so besser, wenn ihr verziehen wurde«, sagte ich, um sie nicht noch mehr zu verwirren. »Ich aber reite fort, mit Samson. Doch nur für eine gewisse Zeit. Wir kommen bald zurück.«
»Das freut mich sehr«, sagte sie, nahm meine Hand und drückte sie. Noch mehr errötend, hielt sie den Blick gesenkt, wandte sich dann ab und lief davon, gleichsam erschrocken über ihren Wagemut.
Armes Mädchen! dachte ich, sollst mit diesem Graubart in seinem erbärmlichen Haus leben! in diesem Gefängnis! in diesem finsteren Grubenloch! Dabei ist der hochrühmliche Meisterein so lieber, so gütiger Mensch! Wie nur konnte er einwilligen in diese Verbindung?
Ich klopfte an Lucs Tür. Sie tat sich auf, und Luc warf sich in meine Arme. Er konnte kein Wort sprechen, hielt mich nur eng umschlungen, so daß ich ihn trösten mußte, anstatt von ihm Tröstung zu erfahren.
»Ach, ich kann Monsieur de Gasc nicht mehr ausstehen, auch nicht die Heuchelei der Alten und der Diakone!« sagte er, als er die Stimme wiedergefunden hatte. »Wegen des Schusses speien sie Gift und Galle gegen Euch! Und ich darf ihnen nicht widersprechen, weil ich als Neuchrist ohnehin im Verdacht stehe, es nicht ehrlich zu meinen mit meinem Glauben. Ach, Pierre, ich bin so schwach! Ohne Euch, der Ihr mir eine so starke Stütze wart, werde ich zittern wie ein Hase!«
Während er sprach, vernahm ich schwere Schritte auf der Treppe, es klopfte, und auf der Schwelle standen Merdanson und Carajac. Sie kämen, sagten sie, mir Lebewohl zu sagen.
»Woher wißt Ihr von meinem Weggang, der ein Geheimnis ist? Wer hat es Euch gesteckt?«
»Fogacer.«
»Fogacer weiß es auch? Woher? Freunde, wartet auf mich in meinem Zimmer, zusammen mit Luc. Da findet Ihr eine Flasche. Entkorkt sie. Stärkt Euch. Ich komme bald nach.«
Und ich ging und klopfte an
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