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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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fragte sie empört.
    »Nein, Madame«, sagte ich mit unvermindert harter Miene, doch sanfter in der Stimme. »Es liegt mir fern, Euch beleidigen zu wollen, ich weiß, was ich Eurer huldvollen Güte schulde. Und mag ich auch betrübt sein, daß ich in den Gefahren, die mich umgeben, den Schutz von Monsieur de Joyeuse verlieren soll – unendlich mehr bekümmert mich, Eure Freundschaft verloren zu haben, denn mit Eurer Schönheit und Güte habt Ihr mein Leben erhellt. Doch ich sehe, Madame, ich habe Eure Geduld zu sehr strapaziert, ich bin hier nicht mehr wohlgelitten. Gestattet also, daß ich mich empfehle und Euch herzlich bitte, mir ein letztes Mal Eure Hand zum Kuß zu reichen.«
    Bei diesen Worten war ich vor ihr niedergekniet und streckte ihr meine Rechte entgegen. Doch sie versagte mir die Hand, was mich so sehr im tiefsten Innern traf, daß die zurückgehaltenen Tränen mir nun über die Wangen rannen. Ich schaute in ihr schönes Antlitz und fand es vergrämt, bleich, bar jener Strenge, die sie bei meinem Eintreten hervorgekehrt hatte. Sie wich zurück, ließ sich in einen Sessel fallen, den Blick gesenkt und ohne ein Wort, was mich sehr wunderte, denn Schweigen war nicht ihre Art.
    Ich wußte nicht, was tun, doch weil ich nicht ewig auf Knien hocken konnte, sah ich in meiner Verwirrung nur einen Ausweg. Ich stand auf, grüßte und schritt zur Tür.
    »Geht, Monsieur!« rief sie mir hinterdrein mit bitterer, pfeifender Stimme. »Eilt hin nach Saint-Firmin, laßt Euch trösten von jener Dirne, die in öffentlicher Unzucht lebt und die Ihr Euch für Eure Wonnen erkoren habt! Derlei Liebschaften sind würdig eines Gottesleugners und Verruchten! Hier wart Ihr zu hoch oben! Im Nadelhaus seid Ihr gut aufgehoben und könnt Euch nach Herzenslust suhlen!«
    Wie von einer Wespe gestochen, wandte ich mich um, das Haupt stolz erhoben. Ich sah Madame de Joyeuse ins Auge, streng, jedoch einigermaßen mit Respekt, und sagte:
    »Madame, ich bin nicht Gottesleugner noch verrucht. Und meine Liebeswonnen fand ich hier, solange man mir gnädig war. Madame, Euer ergebener Diener.«
    Ich machte eine tiefe Verbeugung, richtete mich dann ebenso hoch auf und schritt durch die Tür, ohne der üblichen Begleitung zu harren.
    Mein Zorn und mein Kummer aber machten mich blind, ich ging fehl und war sehr froh, hinter mir die hohen Hacken von Mademoiselle de Mérol wahrzunehmen.
    »Monsieur de Siorac«, rief sie, außer Atem, »wo lauft Ihr hin? Das ist nicht Euer Weg! Und außerdem wünscht meine Herrin Euch neuerlich zu sprechen!«
    »Was! um mich neuerlich zu quälen?«
    »Ach, Monsieur!« Aglaé legte mir die Hand auf den Arm. »Ich kenne meine Herrin lange genug: sie ist lebhaft in Worten, aber gütig im Herzen. Man hat ihr etwas Abträgliches über Euch erzählt. Zudem verflucht Euch diese Stadt seit dem bedauerlichen Schuß, selbst Cossolat verteidigt Euch nicht mehr.«
    »Nun, so verlasse ich die Stadt, wenn niemand mich hier liebt!« sagte ich.
    »Niemand Euch liebt? Seid Ihr dessen so sicher? Selbst ich mag Eure Gegenwart sehr gern ertragen.«
    »Euer Empfang ließ es mich nicht vermuten.«
    »Es wurde mir so aufgetragen« sagte Aglaé mit einem Lächeln.
    »Und wurde Euch auch Euer Lächeln aufgetragen? Und Eure Grübchen? Ist dies das Fangnetz, das Ihr auswerft, um mich unter das Messer von Madame de Joyeuse zurückzubringen?«
    »Um Euch zurückzubringen, Monsieur, würde ich notfalls mehr noch wagen.«
    Sie näherte ihr Gesicht dem meinen, küßte mich auf die Lippen und ließ es geschehen, daß ich ihr kleine Küsse auf ihre Grübchen drückte.
    »Madame, ich folge Euch. Eure Herrin muß sehr gut sein, daß Ihr der Dame so ergeben seid.«
    Dieses Getändel und Zärtlichtun hatte mich mittlerweile besänftigt, wie von der kleinen Schelmin bezweckt. Jungfrau zwar und Demoiselle, kannte sie dennoch alle Listen, mit denen ein Mädchen ihren Burschen an der Nase herumführt.
    Madame de Joyeuse saß noch in ihrem Sessel, aber in einer Gemütsverfassung, die ich gut kannte und die mich nun vollends beruhigte.
    »Ach, Monsieur, so übel habt Ihr mir zugesetzt, daß ich zu sterben meinte! Seid Ihr denn gänzlich ohne Scham und Schande? Gegen eine Person meines Ranges den Rüpel und Tyrannen hervorzukehren ist unehrenhaft! Habe ich Euch die perigurdinische Dreckkruste so schlecht abgeschabt, daß Ihr mir unflätig begegnet? Mögt Ihr auch stolz sein, hitzig, eingebildeter als ein spanischer Grande – den Ton und die Blicke von vorhin

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