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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Fogacers Tür.
    »Ich habe Euch erwartet«, sagte Fogacer mit ausholender Geste und ein klein bißchen Spott in der Stimme. »Nur herein, junger Heißsporn! Nehmt Platz auf diesem Schemel. Ich freue mich, unsere christliche Iphigenie aus der Nähe zu sehen, denn Ihr müßt wissen: kein Hugenotte oder Papist in unserer guten Stadt, der Euch nicht liebend gern das Messer an die Gurgel setzen möchte. Und die Hugenotten zumal, weil sie fürchten, der Gottlosigkeit verdächtigt zu werden, wenn sie Euch beistehen. Ihr zieht also von dannen wie der Bock, den Israel in die Wüste schickte, beladen mit allen Sünden des listenreichen Stammes. Wißt Ihr denn überhaupt, warum Ihr gehen müßt?«
    »Ihr wißt es ganz bestimmt, Fogacer. Sonst wäre ich nicht hier, Euch anzuhören.«
    »Ich weiß es«, sagte Fogacer und schritt auf seinen langen Spinnenbeinen kreuz und quer durchs Zimmer. »Ich weiß es«, wiederholte er, blieb stehen und musterte mich mit seinen jadefarbenenAugäpfeln, in denen Ironie glomm. »Und Ihr wollt es von mir erfahren?«
    »Ohne Verzug, ich bitte Euch darum.«
    »So hört, Siorac, und sperrt Eure beiden Ohren auf! Monsieur de Joyeuse ist in seiner machiavellischen Diplomatie bei den eifernden Papisten gewesen, die fromm erwägen, Euch umzubringen.«
    »Kennt er sie denn?«
    »Wie die Finger seiner Hand.«
    »Und steckt sie nicht ins Stadtgefängnis?«
    »Das kann er nicht. Und will er nicht. Oder vergeßt Ihr, daß er selber Papist ist?«
    »Und was hat er zu diesen Eiferern gesagt?«
    »Gefeilscht hat er mit ihnen: Sennesblätter gegen Rhabarber. Ihr bleibt unbehelligt, müßt aber die Stadt verlassen. Wenigstens für eine gewisse Zeit. Bis über die zwei Skandale, die Ihr verursacht habt, Gras gewachsen ist.«
    »Zwei? Wieso zwei?«
    »Der große und der kleine.«
    »Der große, das ist der Arkebusenschuß. Aber der kleine?«
    Fogacer musterte mich eine Weile, dann fuhr er fort:
    »Also der kleine, der ist winzig, mißbehagt aber dem Vicomte, der es in seinem Tun weit bringen möchte: manchenorts wird getuschelt, daß Madame de Joyeuse Euch nicht sonderlich zum Büßer macht.«
    »Oh, das ist infam!« sagte ich.
    »Gewiß«, sagte Fogacer ohne Wimpernzucken, »doch Ihr wißt, Siorac, es darf kein Schatten fallen auf des Caesars Weib. Und der Vicomte schlägt sehr geschickt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er schützt Euch und hält Euch fern von seinem Haus.«
    Drei Fliegen mit einer Klappe! war mein Gedanke, denn der Vicomte wird Vorsorge getroffen haben, daß sein Eheweib ihm neuerlich die Schatulle füllt.
    »Nun, was sagt Ihr, hat er die Fäden nicht gut geknüpft?« fragte Fogacer.
    »Ach, Fogacer«, sprach ich nach kurzem Überlegen, »warum ist der Mensch so, wie er ist?«
    Freilich gab es auch andere, meine Gefährten: sie liebten mich aufrichtig, ohne Hintergedanken, ohne Kalkül. Und nachdem wir die erwähnte Flasche geleert hatten und eine zweiteund dann eine dritte zusammen mit Luc, Fogacer, Merdanson und Carajac, unterdessen Miroul die Gitarre zupfte (auch Samson war dabei, mochte aber nicht trinken), legte ich mich mit etwas schwerem Kopf zwar, aber heiter gestimmt zur Nachtruhe. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, daß ich in Nîmes endlich Ruhe und Frieden fände nach all den schlimmen Aufregungen und Ärgernissen. Heiliger Antonius! welch gnadenvolle Augenbinde verbarg mir da die Zukunft! So viele Meilen nahm ich unter die Hufe meiner Accla und unter meine Hinterbacken, um doch nur aus dem Regen in die Traufe zu gelangen. Und wenn ich dem Wolf nicht geradenwegs ins Maul ritt, brachte ich mich zumindest in die unbequeme Lage, ihn an den beiden Ohren festhalten zu müssen, um ihm nicht zwischen die Zähne zu geraten.

DREIZEHNTES KAPITEL
     
    Geneigter Leser, du wirst vielleicht meinen, ich sei am folgenden Morgen sehr betrübt gewesen, die von mir so geliebte Stadt Montpellier zu verlassen samt den vielen Menschen, die ich auf unterschiedliche Weise in mein Herz geschlossen hatte. Als ich mich jedoch vor Tau und Tag in den Sattel meiner Accla schwang, spürte ich nur ungestüme Freude, von dannen zu ziehen, dem Abenteuer entgegen, um eine ihrer Schönheit wegen gerühmte Stadt zu entdecken.
    Samson, zu früh aufgestanden, schlummerte noch auf seiner Albière und hielt sich nur dank seiner Übung im Sattel. Miroul dagegen, der große Mühe mit seinen beiden Arabern hatte, trällerte leise vor sich hin und war erleichtert, mich den Gefahren entrinnen zu sehen, denn mein Vater

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