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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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»Ihr habt als erster mich darauf gebracht!«
    Ich senkte schuldbewußt das Haupt und wußte keine Antwort.
    »Fontanette«, fuhr ich dann fort, »du bist so gut, so lieb, wie hast du es über dich gebracht, dein Kind zu töten?«
    »Moussu, ich bin gezwungen worden! Ich wollte nicht, aber der Herr befahl es mir und drohte, mich ohne einen Sol wieder auf die Straße zu schicken. Wie hätte ich da mein Kind ernähren können, wo ich doch selbst nichts zu beißen hatte? Als die Wehen kamen, mochte die Mutter des Herrn meine Schreie nicht hören, sie stieß mich in einen Schafstall, wo ich auf dem Stroh der Tiere gebar; niemand zur Seite, der mir geholfen, sich meiner angenommen hätte. Und als das kleine Wurm da war und ich überlegte, daß es in jedem Falle mit mir sterben würde, hielt ich ihm Mund und Nase zu, bis es sich nicht mehr regte!« Ein Strom von Tränen rann Fontanette über das Antlitz,und unter Schluchzern fuhr sie fort: »Ja, Moussu, ich habe schlimme Sünde begangen! Und es ist nur gerecht, daß sie mich hängen. Ach, könnte die Muttergottes für mich Vergebung erwirken bei ihrem göttlichen Sohn! Ich habe so entsetzliche Angst vor dem Sterben!«
    Ich sah sie am ganzen Körper beben bei dem schlimmen Gedanken, unterdessen das Maultier sie mit jedem Schritt dem Galgen näher brachte.
    »Was tatest du mit dem kleinen Leichnam?« fragte ich, um sie abzulenken.
    »Ich warf ihn in einen versiegten Brunnen, aber die Grenue hat mich gesehen …«
    »Wer ist die Grenue?«
    »Eine Nachbarin, die meinen Herrn heiraten möchte. Sie schwärzte mich beim Pfarrer an, der mich in sein Haus bestellte. Dort versprach er mir Stillschweigen, wenn ich es mir von ihm besorgen ließe. Doch ich wollte nicht, mich schauderte vor neuerlicher Sünde, und gar mit einem Manne Gottes! Da setzte der Pfarrer einen schönen lateinischen Brief auf, an die Richter in Montpellier. Und einen Monat später kamen die Häscher nach Grabels, nahmen mich fest und sperrten mich in das Stadtgefängnis.«
    Ach, Fontanette, dachte ich, wie viele Menschen haben da eine Kette geschmiedet, Glied für Glied, dein Unheil zu vollenden: ich selbst, Dame Rachel, dein Herr, die Grenue, der Pfarrer von Grabels – möge der Herrgott uns vergeben, was wir dir Böses angetan!
    »Moussu«, sagte sie zitternd und weinend, »ich habe so entsetzliche Angst, daß sie mich am Hals aufhängen, ehe ich Luft und Atem verloren habe. Im Gefängnis haben sie mir gesagt, das sei eine lange, schreckliche Folter.«
    »Monsieur de Siorac«, sprach plötzlich Cossolat hinter mir, den ich nicht hatte kommen hören, »es ist verboten, mit der Verurteilten zu sprechen.« Und grimmig an die Vignogoule gewandt: »Gevatterin, wieso hast du das nicht verhindert?«
    »Hauptmann, ich betete gerade für die arme Kleine, ich habe nichts gehört«, log die Vignogoule heuchlerisch.
    »O ja, dein Mitleid, Weib, das kenne ich! Bei gut geschmierter Klaue bist du taub! … Monsieur de Siorac, ein Wort unter vier Augen, bitte!«
    Wir gaben den Pferden die Sporen, und als wir einigen Abstand zwischen uns und den düsteren Zug gelegt hatten, sagte Cossolat:
    »Ich weiß, was dieses Mädchen für Euch war, und das Gericht weiß es erst recht. Ich habe alles unternommen, die Hinrichtung auf morgen zu verschieben, damit diese Begegnung vermieden würde. Doch das Gericht hat anders entschieden. Darum bin ich mit so vielen Soldaten hier. Einige Richter befürchten, andere hingegen hoffen, daß Ihr neuerlich eine Torheit begehen werdet.«
    »Also ist dies eine Falle?«
    »Ei ja. Und ich bin das Tellereisen.«
    »Ich werde achtgeben. Habt Dank für die Warnung.«
    »Also kein Arkebusenschuß?« Cossolat sah mich an.
    »Auch nicht Pistole und nicht blanke Waffe. Aber erlaubt Ihr mir, unter vier Augen mit dem Henker zu sprechen?«
    »Das ist nicht möglich«, sagte Cossolat. »Nur ich darf mit ihm reden.«
    »Monsieur, dann zwingt Ihr mich zu einer Verzweiflungstat, die Ihr doch lieber vermieden hättet«, sagte ich.
    Aus meiner Miene sprach Entschlossenheit, obwohl ich im Innern wenig entschieden war: nicht im Traum konnte ich es wagen, einen ganzen Trupp Soldaten anzugreifen, zumal von dem mit seinen zwei Arabern befaßten Miroul wenig Hilfe zu erwarten war und noch weniger von meinem Samson. Und durfte ich denn beider Leben gefährden, sosehr ich auch bereit war, das meine in die Waagschale zu werfen?
    »Monsieur de Siorac«, sagte Cossolat, »wenn Ihr mir versprecht, auf eine solche Tat zu

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