In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Bodenhatten, entlud sich ihr Haß gegen Robert Grégoire, den sie in ihrem Zorn erwürgten, indes ich sie kurz vorher noch hatte fragen hören, was der Mann hier solle.
Die Soldaten waren nun in Blutrausch verfallen, und als Cellerier weitere Gefangene brachte, stürzten sie sich ohne jedes Zögern über sie her. Sie wunderten sich gar, daß der nächste Schub so lange auf sich warten ließ, und begannen die Getöteten zu entkleiden, rissen ihnen die Ringe von den Fingern, wühlten in den Taschen, beklagten sich, daß die Soldaten der Eskorte ihnen zuvorgekommen waren. Jetzt schlug die Stimmung um: ganz wenige ausgenommen, die von der Habe ihrer Opfer nichts anrühren mochten, schien die Gier nach Beute den Eifer noch zu vergrößern.
Als die Gemeuchelten entkleidet waren, sah ich, wie ein Soldat den blutigen Leichnam von Nicolas Sausset über das Hofpflaster schleifte, auf den Brunnenrand hob und in den Schacht stieß. Das Beispiel fand alsbald Nachahmung, und so landeten die Leiber all der Opfer dieser Nacht im Brunnen, als gälte es, das in der Tiefe quellende Wasser für immer zu verderben. Später hörte ich, der Brunnen sei fast bis obenhin gefüllt gewesen und die Herren hätten tags darauf Order gegeben, noch hinlänglich viel Erde draufzuwerfen, um ihn vollends zu verstopfen.
Vereist bis ins Herz und gleichzeitig aus allen Poren schwitzend, verfolgte ich in unserer dunklen Ecke an der Mauer das entsetzliche Schauspiel. Aus dem nahen Brunnen vernahmen wir das Stöhnen eines Sterbenden, was uns vermuten ließ, daß manches Opfer wohl nur halb gemeuchelt war und dort im Wasser einen nicht endenden Tod starb. Von Erbarmen getrieben oder vielleicht von der Hoffnung, daß ich da jemandem zu Hilfe kommen könnte, ging ich und beugte mich über den Brunnenrand, was wenig klug war, da mich die Fackeln nun voll erhellten. Doch ich sah nur Massen, die sich wirr in dem vom Blut geröteten Wasser bewegten. Miroul zerrte mich zurück in den Schatten. Dort legte ich meinen Arm um Samson, der lautlos weinte, die Hände vors Gesicht geschlagen, und hätte am liebsten selber geweint aus Scham und Mitleid. Miroul, auch er mit Tränen im Gesicht, hielt meinen rechten Arm umklammert, weil er wohl fürchtete, ich könnte mich wie irre zwischen die Mörder und die Opfer werfen.
Mit fortschreitender Nacht wurde die Meuchelei immer mehr zur Routine, und zunehmend hart und stumpf wurden die Soldaten. Die meisten Opfer erlitten ihr Schicksal fügsam und beteten, während man auf sie einhieb. Einer aber, Jean-Pierre mit Namen, begehrte plötzlich auf und rief, er sei nur Organist der Kathedrale, er habe nichts gegen die Unseren gesagt noch getan, er verdiene den Tod nicht. Hierauf die Soldaten grausam zu spotten begannen: er müsse sterben, da seine Musik papistisch sei. Und weil Jean-Pierre, um ihnen zu entwischen, wie närrisch die Mauern entlanglief, rannten sie ihm hinterdrein und riefen: »Für einen Musiker flitzt du aber gut!« Am Ende schnappten sie ihn, stachen auf ihn ein und fragten bei jedem Hieb: »Wie schmeckt dir diese kleine Note?« Jean-Pierre stöhnte laut und schrie: »Ihr tötet mich! Ich kann nicht mehr!« Hierauf ein Soldat lachend erwiderte: »Noch aber marschierst du mir bis zum Brunnen!« Er stieß ihn vorwärts, und erst am Brunnen machte er ihm den Garaus.
Da die Mörder und Opfer in derselben Stadt zu Hause oder gar Nachbarn waren, einander also gut kannten, gesellte sich zu der Beutegier bisweilen noch alter Groll: man wollte bei dieser Gelegenheit alte Rachegelüste stillen. Das bekam Doladille zu spüren, der Seidenarbeiter, den Jean Vigier am Arm verwundet hatte und den man blutüberströmt zur Bischofsresidenz brachte. Als die Männer ihn erblickten, gab es großes Geschrei und ein Gewitter von Flüchen; Doladille war offenbar ein großer Hurenbock, hatte viele der Unseren gehörnt und – da von Natur ein Großmaul – geprahlt, er sei imstande, alle Hugenottenweiber zu bekehren. Deshalb wurde er nicht ohne Federlesens ins Jenseits befördert, sondern über alle Maßen gepeinigt und verstümmelt, bis er endlich im Tod seinen Frieden fand.
Nach Doladilles Meuchelung kehrten die Vollstrecker zur Routine zurück und töteten nur mehr ganz mechanisch. Es kündigte sich bereits der neue Tag an. Mir wollte scheinen, die Soldaten vollführten ihr düsteres Werk nur noch widerwillig, als hätten sie sich übersättigt an Blut und empfänden nun doch Ekel – oder Müdigkeit. Oder sie spürten am Ende
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