In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Hugenotten gehörte, ihnen allein.
Während wir hinschritten, die Gefangenen in unserer Mitte, ermahnte sie Quatrebar mit tönender Stimme zu Geduld und Fassung. Eifernd wiederholte er Minute um Minute:
»Meine Brüder! Meine lieben Brüder! Ich sehe die Himmel schon weit aufgetan, uns zu empfangen!«
Hierauf die Bewaffneten murrten und einer unmutvoll rief:
»Dich erwartet eher die Hölle, Götzenanbeter!«
»Ruhe da!« sagte Cellerier. »Ruhe im Glied! Und du, Prediger, predige deine letzte Predigt weniger laut!«
»Warum sollte ich dir gehorchen, Ketzer?« rief Quatrebar trotzig. »Du kannst mich nur einmal töten!«
»Aber gründlich!« entgegnete Cellerier.
Und die Soldaten lachten schallend.
In der Tat war der Bischofssitz unser Ziel, wie Cellerier es spöttelnd zum Domherrn Mazoyer gesagt hatte, der so schlecht mit uns Schritt halten konnte, daß sich die Bewaffneten beim Schleppen gegenseitig ablösen mußten. Aber eigentlich war es der geschlossene Hof davor, der ziemlich groß und gut gepflastert war; in einer Ecke befand sich ein mit schmiedeeisernem Zierwerk überspannter Brunnen. Im Hintergrund ragte ein Glockenturm auf mit vier Rundbögen in der Höhe, und auf drei Seiten trugen die den Hof umschließenden Mauern einen Wehrgang, zu dem Stufen hinaufführten. Auf diesen Stufen, auf dem Wehrgang und in den Turmöffnungen waren Soldaten mit Fackeln postiert, die im Nachtwind flackerten. Ich zog mich mit Samson und Miroul eilig in einen finsteren Winkel am Fuße einer Mauer zurück, um nicht schon vor dem Erscheinen des Hauptmanns Bouillargues entdeckt und verhört zu werden. Über Stunden hin warteten wir dort und wagten uns nicht zu rühren.
Mir lief der Schweiß über den Rücken, als hätte ich selber den Tod zu gewärtigen. Gleichwohl mochte ich allem Augenschein zuwider nicht glauben, daß dieser Hof mit seiner monumentalen Schönheit, dem die flackernden Fackeln Festglanz verliehen, der Schauplatz eines entsetzlichen Gemetzels werden könnte. Doch hatte man nicht eigens diese Hochburg des Papismus gewählt, um jedermann zu bedeuten, daß sie das Grab seiner Eiferer werden solle?
Die Soldaten – wenn man sie so nennen darf, denn es waren fast durchweg Handwerker, die von hugenottischen Bürgern befehligt wurden – zögerten noch, mit dem Gemetzel zu beginnen; vielleicht waren sie nicht geübt im fröhlichen Blutvergießen, vielleicht warteten sie auch auf einen ausdrücklichen Befehl, der bisher eher in halben Worten angedeutet denn tatsächlich ausgesprochen war. Selbst Cellerier, nachdem er die Gefangenen hergebracht hatte, blieb Order schuldig, begab sich mit der Hälfte seines Trupps sogleich ins Rathaus zurück, weitere Häftlinge zu holen, und überließ es der anderen Hälfte, von sich aus zu entscheiden, was mit den armen Opfern geschehen sollte. Und ich bin sicher, daß diese Soldaten noch lange gezögert hätten, ihre Hände mit dem Blut ihrer Mitbürger zu besudeln, wäre nicht des Predigers Quatrebar herausforderndes Begehren nach Märtyrerschaft gar zu groß gewesen. Erhobenen Hauptes verlangte er ungehörig frech, laut beten zu dürfen. Die Soldaten gestatteten es ihm unter der Bedingung, daß er das Vaterunser beten würde und nichts anderes. Hierauf verschränkte Quatrebar die Hände vor der Brust und stimmte wie einen Siegesgesang das Ave-Maria an. Man befahl ihm, zu schweigen. Er aber sang weiter: so lange, bis die Unseren sich am Ende berserkerisch auf ihn stürzten und ihn mit mehr als hundert Stichen durchbohrten.
»Fahr zur Hölle, elender Götzendiener!« schrien einige. Da warf sich Nicolas Sausset auf die Knie und flehte zitternd um Gnade, er werde nicht mehr zu Maria beten, er habe seine Irrtümer erkannt, er wolle sich bekehren. Doch seine Feigheit reizte die Soldaten ebensosehr wie Quatrebars Heldenmut, er wurde auf der Stelle niedergemetzelt und mehr noch verflucht und bespien als der Prediger.
Der arme Domherr Mazoyer, der sich mitten im Hof auf das Pflaster gesetzt hatte, weil er sich nicht auf den Beinen halten konnte, sah das alles mit großen Augen und fragte stammelnd: »Was soll dies? Was soll dies?«
Er wurde so ganz nebenher getötet, dann fielen unsere Männer haßvoll über den Konsul Gui Rochette her. Es dauerte ein Weilchen, bis man mit ihm fertig war, denn mit den Armen wehrte er die Stiche ab, dabei er rief, sie sollten doch wenigstens seinen jungen Bruder verschonen. Sein Widerstand aber brachte die Soldaten in Wut, und als sie Rochette am
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