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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gar wohl wußte, was sie begehrte, und glücklich war, noch am Leben zu sein, und nicht gewiß sein konnte, ob mir mein Leben bliebe – da wollte ich die Windstille zwischen zwei Stürmen genießen und mir wenigstens Eingang geben in dieses kleine Paradies, wäre es auch nur einen Seufzer lang. Ha, Leser, leg die Stirn nicht in Falten. Wenn es Sünde ist, so irdisch zu sein, dann verzeih mir. Gar schön ist’s, zu leben. Und war es nicht wundervoll, mich so warm und bebend in diesem prächtigen Weib zu fühlen, anstatt selbigen Augenblicks kalt und blutüberströmt auf dem Pflaster zu liegen?

VIERZEHNTES KAPITEL
     
    Ich hatte meine Vollstrecker sagen hören, für neun Uhr abends sei auf dem Platz vor der Kathedrale eine große Zusammenkunft der Glaubensgenossen angesetzt. Dorthin wollte ich mit Samson und Miroul gehen, um Hauptmann Bouillargues zu finden. Mit dem Helm über der Nase, so meinte ich, könnte ich mich im Dunkel getrost unter die bewaffnete Menge mischen, ohne erkannt zu werden. Zudem stellte ich bei meiner Ankunft fest, daß dort viele Hugenotten aus den umliegenden Landstrichen waren, jeder sein eigenes Okzitanisch redend und eilig herbeigeströmt, kaum daß sie von der Einnahme der Stadt durch die Unseren erfahren hatten. Auch sah ich nicht, daß man sie – nach Art meines Flickschusters: nur weil sie nicht aus Nîmes waren – verachtet oder ihnen mißtraut hätte. Im Gegenteil.
    Eitel Freude herrschte unter dem Volk, das in dieser Nacht Rache nahm für alles, was die Unseren seit König Franz I. an grausamen Verfolgungen hatten erleiden müssen. Doch sosehr die Leute auch schrien: »Tod den Papisten! Neue Welt!« – sie machten keinerlei Anstalten, in die Stadt auszuschwärmen und die Katholiken samt Frauen und Kindern zu töten, wie es leider fünf Jahre später dann die Papisten mit den Unseren taten in der unheilvollen Bartholomäusnacht.
    Wir waren bereits eine gute Stunde auf dem Platz, ohne daß ich jemand anzusprechen wagte. Endlich aber nahm ich einen ins Visier, der ein braves Gesicht hatte und seine Leute gut zu kennen schien. Zu ihm schickte ich Samson, den in Nîmes keiner kannte, weil er seit dem Mittag die Herberge nicht verlassen hatte.
    »Mein schöner Moussu«, sagte der Mann, Samson mit großen Augen betrachtend, als wäre der Erzengel Michael in seiner Pracht und Schönheit aus einem papistischen Kirchenfenster niedergestiegen, »wenn Ihr Hauptmann Bouillargues sucht, braucht Ihr nur dem Trupp von Pierre Cellerier zu folgen, dergerade zum Rathaus aufbricht. Bleibt ihm auf den Fersen, und Ihr werdet Bouillargues unfehlbar finden.«
    »Ist dieser Pierre Cellerier ebenfalls Hauptmann?« fragte Samson.
    »Mitnichten. Goldschmied ist er und sehr betucht, aber ein strenger, gnadenloser Hugenotte.«
    Ich zog Samson am Ärmel, und wir schlossen uns dem Trupp an, der aus dreißig Mann bestehen mochte, die in Dreierreihen und passabler Marschordnung hinschritten. Miroul, Samson und ich bildeten eine Reihe mehr, ohne daß dies jemandem auffiel. Dem Trupp leuchteten an der Spitze vier oder fünf Fackelträger, während wir, hintan, im Halbdunkel marschierten.
    Wir gelangten zum Rathaus, wo entgegen meiner Erwartung die Soldaten nicht draußen blieben; sie folgten Pierre Cellerier einige Stufen hinab bis vor eine stark bewachte Tür, die aber gleich entriegelt wurde und uns Zutritt gab in einen großen Raum mit den papistischen Gefangenen. Der Raum diente während der Fastenzeit als Metzgerei, um die Kranken mit Fleisch zu versorgen. Er war niedrig, sehr feucht, schlecht gepflastert und hatte kleine, von Eisenbändern gesicherte Kellerluken, deretwegen man diesen Ort wohl gewählt hatte für die Unterbringung von etwa hundert Gefangenen: Priester hauptsächlich und Mönche der verschiedenen Orden, doch auch Bürger und etliche Handwerker, darunter ich Doladille wiedererkannte, den Jean Vigier am Arm verwundet hatte.
    Diese unglücklichen Menschen hatten in tiefem Dunkel gehockt und wichen beim Erscheinen der Fackeln und der bewaffneten Soldaten geblendet und entsetzt zurück, in Angst, auf der Stelle niedergestochen zu werden wie die Lämmer zur Fastenzeit. Und ich selbst fürchtete das auch, als ich sah, wie wild Pierre Cellerier und die Unseren sie musterten, die Augen voll von einem Groll und Haß, den sie im Kessel der Verfolgung tausendmal aufgekocht hatten.
    Pierre Cellerier befahl einen Fackelträger zu sich, zog aus dem Wams eine Liste hervor und fing an, Namen aufzurufen. Sowohl

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