In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
von der Stimme als auch der Miene und Haltung her wirkte er eher wie ein Schlächter denn ein Goldschmied.
Zunächst rief er den Ersten Konsul Gui Rochette auf, der mutig und würdevoll vortrat, obwohl er wußte, was ihm bevorstand.Er murrte auch nicht, als zwei Bewaffnete ihn derb bei den Armen packten. Doch als Cellerier »Robert Grégoire, Advokat!« rief, erschrak der Konsul, wandte den Kopf zu dem Goldschmied hin, den er bisher keines Blickes gewürdigt hatte, und sagte:
»Im Namen Gottes bitte ich Euch, Monsieur, schont Grégoire! Er trägt keine andere Schuld, als daß er mein Bruder ist.«
»Euer Bruder zu sein ist Schuld genug«, sagte Cellerier grimmig. Doch er schien sich der grausamen Absurdität dieses Satzes bewußt zu sein und fügte hinzu: »Im übrigen haben die Herren es so entschieden.« Und er wiederholte: »Robert Grégoire, Advokat!«
Der Aufgerufene, sehr jung und aschfahl im Gesicht, trat vor und wurde von den Soldaten ergriffen; sie faßten jedoch nicht derb zu, sondern schienen eher verwundert, daß er ihren Messern ausgeliefert wurde.
Als dritten rief Cellerier einen Mönch auf: »Jean Quatrebar, Prior der Augustiner und ordentlicher Prediger der Kathedrale.« Rächerische Häme unterlegte er dem Wort »Prediger«. Und Quatrebar, als er vortrat, wurde von den Bewaffneten ausgebuht; offenbar hatte der Prior in seinen Predigten unsere hugenottischen Brüder mehr denn nur einmal den Flammen der Hölle und, was schlimmer war, den irdischen Scheiterhaufen geweiht. Quatrebar, dessen Statur seinem Namen alle Ehre machte, trat mit verächtlichem Mut auf die Bewaffneten zu und sagte mit klangvoller Stimme:
»Ich danke, daß man mir das Ende eines Märtyrers beschert!«
Die Bewaffneten murrten, doch Cellerier hob die Hand, verzichtete auf eine Erwiderung und fuhr fort:
»Nicolas Sausset, Prior der Jakobiner.«
Dieser war klein und schmächtig, und seine Hände, die er über der Brust verschränkt hielt, zitterten. Doch so harmlos er wirkte, hinter seinem Gebaren schien sich Bösheit zu verbergen, denn die Unseren buhten so laut, wie sie es bei Quatrebar getan, und packten ihn nicht weniger derb.
»Etienne Mazoyer, Kanonikus der Kathedrale«, fuhr Cellerier fort.
Diesmal kein Buhen, sondern hier und da Lacher, worausich schloß, daß der Ärmste mehr seines Amtes denn seiner Taten wegen am Pranger stand. Greisenhaft zitternd, schritt er unter Mühen voran, und ohne jede Ahnung, weshalb er sich hier befand, fragte er Cellerier:
»Läßt man mich frei?«
»In gewisser Weise, ja …«, sagte Cellerier.
Aber obwohl dieser Witz, so grausam er sein mochte, vielleicht besser war als die Wahrheit, lachten nur zwei oder drei der Bewaffneten, während die anderen sich sehr erbosten. Mazoyer, nichts begreifend, fragte weiter:
»Und wohin führt man mich, Monsieur?«
»Zum Bischofssitz«, beschied Cellerier mit einem Lächeln, das mir sehr mißfiel. »Da seid Ihr besser aufgehoben als hier! Aber nun los, genug geschwätzt, brechen wir auf!«
»Und wir?« rief verängstigt eine Stimme unter den zurückbleibenden Papisten. »Und wir, Monsieur? Ruft Ihr uns auch noch auf? Müssen wir alle sterben?«
Cellerier machte ein sehr mürrisches Gesicht, und ich meinte schon, er würde nicht antworten. Doch nach kurzem Besinnen sagte er mit seiner barschen Stimme:
»Ich weiß es nicht. Die Herren haben noch nicht entschieden.«
»Aber Ihr, Herr Nachbar«, rief ein zweiter, »was meint denn Ihr, wie sie entscheiden werden?«
Cellerier schien verwirrt, er senkte die Lider, die Stimme mochte ihm bekannt vorkommen. Und mitten im Abgang, fast heimlich, als schämte er sich, den Papisten diese kleine Mildtätigkeit zu erweisen, sagte er:
»Ich meine, Ihr werdet nicht alle sterben müssen.«
Ein ungewollt grausamer Satz, der den Zweifel hinausschob, ihn nicht aufhob.
Zusammen mit Miroul und Samson verließ ich den Raum als letzter, damit die Fackeln uns nicht in gar zu helles Licht hüllten, doch gering war die Gefahr, daß man uns unter die Nase leuchtete: die Bewaffneten hatten Augen und Ohren nur für die Gefangenen, die sich – ausgenommen Nicolas Sausset – tapfer betrugen, jedoch mehrmals verzweifelt zu den Häusern hinaufschauten, als wäre von dort Hilfe zu erwarten. Doch die Stadt war wie ausgestorben, keine einzige Kerze flackerte in den Fenstern, alle Türen waren verrammelt, weil die Herrenden Papisten verboten hatten, in dieser Nacht ihre Häuser zu verlassen, weshalb denn das Pflaster den
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