Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
der Geier befreit hatten; ich bat ihn, einen Augenblick auf die Straße zu kommen und den Fall selbst zu entscheiden. Er zuckte die Schultern, um mir zu bedeuten, für wie nichtig er die Angelegenheit halte, stand aber trotzdem auf und tapptewie ein Bär zur Tür. Kaum aber war er draußen und sah den Geistlichen blutüberströmt auf den Treppenstufen liegen, stieß er ein Brüllen aus und rief:
    »Mein Pierre! Wer hat dich so zugerichtet! Wer hat dir das angetan! Waren es die da?«
    Er wies auf die beiden Soldaten und griff nach dem Degen.
    »Nein«, sagte ich, »Robert Aymée hat’s getan.«
    »Aymée! dieser Schurke!« rief Bouillargues. »Bei allen Teufeln, ich steche ihn tot! Weiß nicht jedermann in Nîmes, daß Pierre Journet mein Milchbruder ist, den ich so zärtlich liebte? Ihr da, Soldaten, tragt den Verwundeten in meine Wohnung und legt ihn vorsichtig auf mein Bett! Und du (er wandte sich an einen Haushofmeister, der ihm gefolgt war) holst den Chirurgen Domanil, und eile wie der Wind, sonst Gnade dir! – Monsieur de Siorac«, fuhr er dann fort mit echten Tränen in den Augen (ich mochte meinen Sinnen nicht trauen), »ich werde Euch ewig dankbar sein.«
    Herzhaft drückte er mir beide Hände.
    »Anicet hat als erster dem Töten Einhalt geboten, ich habe ihm nur beigestanden«, sagte ich.
    »Anicet!« rief Bouillargues und umarmte ihn, »noch in hundert Jahren werde ich deinen Namen nicht vergessen haben!«
    Dabei fiel ihm auf, daß Anicet arm wie Hiob war, er wollte ihm einen Dukaten schenken; Anicet aber wies ihn zurück, er habe rein aus Mitgefühl gehandelt. Unterdessen betteten die beiden Soldaten Pierre Journet auf Bouillargues Lager, mit einer Fürsorglichkeit, die nicht ahnen ließ, daß sie ihn noch vor einer halben Stunde brutal auf das bischöfliche Pflaster geworfen hatten. Ganz klein machten sie sich und waren sehr zufrieden, zusammen mit uns sich den Abgang zu geben, weil sie fürchteten, Bouillargues könnte seinen Zorn wider Robert Aymée doch noch gegen sie wenden. Ich aber, der ich vom Hauptmann nicht ohne Umarmungen schied, stellte verwundert fest, daß dieser Fuchs immerhin ein Herz besaß, das freilich nur für seine Sippschaft schlug und die anderen gleichsam aus der Menschengemeinschaft verbannte.
    Kaum die Treppe hinabgestiegen, besann ich mich und eilte zurück, fand Bouillargues am Lager des Verwundeten, nahm ihn zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Hauptmann, der Bischof von Nîmes ist verhaftet worden.Soll er auch hingerichtet werden? Ist nicht schon genug Blut vergossen worden?«
    Bouillargues senkte den Blick und sagte heuchlerisch:
    »Ich habe seine Tötung nicht befohlen, sondern hätte ihn lieber als Geisel behalten, um Lösegeld für ihn zu fordern (was gewiß die lautere Wahrheit war). Aber ich weiß nicht, was die Herren entschieden haben.«
    »Hauptmann, verzeiht meine Neugierde«, sagte ich leise, »aber wer sind diese Herren, die ich hier immerfort nennen höre?«
    »Ah, Monsieur de Siorac! Wer weiß das schon?« sagte Bouillargues, kniff ein Auge zu und das andere halb, so wie einer, der es ganz genau weiß.
    Und wieder drückte er mich an seine Bärenbrust, sagte mir noch tausendmal Dank und beteuerte, mir stets dienstbar sein zu wollen. Dann klopfte er mir leicht auf den Rücken und ging.
    Verständlicherweise zog es mich nicht sonderlich zurück in den Hof des Bischofssitzes, sei es auch nur, um Samson und Miroul zu holen. Zu grausam war die Erinnerung an die Fackeln, die Schreie, die gefledderten Leiber und an den Brunnen, dahinein sie die Toten und die Sterbenden geworfen.
    Von traurigen Gedanken an dieses schreckliche Bild erfüllt, schritt ich wortlos hin, als mich einer der beiden Soldaten sanft am Ärmel zog. Er wollte mir danken für meine Aussage vor Bouillargues, daß Robert Aymée es gewesen, der seinen Milchbruder so übel zugerichtet hatte. Wenn er und sein Gefährte mir danken wollten, so erwiderte ich, sollten sie mit dem Morden aufhören und nach Hause gehen. Er versprach es, entschuldigte sich aber, daß er mit mir zum Bischofssitz zurückkehren müsse, wo sie ihre Beute versteckt hätten, die sie nicht verlieren wollten. Sie seien beide Lohgerber und seit einem halben Jahr ohne Arbeit. Die Kleidungsstücke würden sie verkaufen, um Brot für ihre Frauen und Kinder zu kaufen, die mager wie Karrenräder seien, da sie seit langem nichts zu beißen hätten. Ich fragte Guillaume (dies war sein Name, während der andere, stumm wie ein Karpfen, Louis

Weitere Kostenlose Bücher