In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
einen! Willst du dich gegen uns erkühnen, Freund?«
Da riß ich mich los von Mirouls Hand, zog blank und stand schon neben Anicet.
»Wer ist denn das?« fragte der Soldat.
»Der Richter in diesem Streit!« rief ich. Mit einer jähen Bewegung schlug ich ihm die Waffe aus der Hand (was keine große Tat war, da er sie schlecht gehalten hatte) und setzte ihm die Degenspitze an die Gurgel. »Und dies ist mein Beschluß: ihr bringt Pierre Journet in das Haus, wo sich Hauptmann Bouillargues aufhält. Er soll den Fall entscheiden.«
»Was! ihn noch mal schleppen?« rief Anicets Widersacher.
»Dies wird dir nachhelfen!« sagte ich und richtete die an meiner Linken hängende Pistole auf ihn.
Da steckte der Mann ohne Murren die Waffe weg und machte Anstalten, seine Last wieder aufzunehmen, die ihm nun arg mißbehagte, seit er sich des Gewinns daraus nicht mehr sicher war.
Merkwürdig an diesem Streit war, daß die Vollstrecker die Szene wortlos verfolgten, ohne sie recht zu verstehen, ohne einzugreifen: sie fühlten sich davon nicht betroffen.
Wir fanden Hauptmann Bouillargues in seinem Hause, kampfgerüstet, doch augenscheinlich wenig gelüstig, in dieser Nacht die Nase in den Wind zu halten: er war zu klug, als daß er sich im Rathaus oder am Bischofssitz gezeigt hätte, denn er wußte nur allzu gut, was er und die Herren befohlen hatten. Groß, feist und schwer war der Hauptmann, von der Statur eines Bären, doch sein Gesicht, wie Anicet richtig bemerkt hatte, war eher das eines Fuchses: listige kleine Augen und bebende Nüstern, welche die Fallen erspürten, bevor er hineintrat. Gewiß! dieser Reineke räuberte nicht im Hühnerstall, machte nicht gemeine Beute im Haus eines geflüchteten Papisten, wie es François Pavée bei Monsieur de Montcalm getan. Doch aus dem Munde der Dame Etienne André weiß ich, daß sie diesem Bouillargues (an dem alles falsch war, sogar sein Name, denn in Wahrheit hieß er Pierre Suau) tausend Livres in klingender Münze zahlte, damit er das Leben ihres Mannes schone, den er hatte einsperren lassen. Erst lange nach der Michelade (so wurde die Metzelei von Nîmes genannt, weil sie am Tage nach dem Michaelistag stattfand) erfuhr ich, daß Bouillargues von allen Seiten Lösegeld entgegengenommen, schwunghaften Handel getrieben hatte mitMenschenleben, die er nach Belieben auslöschen oder retten konnte, somit er sich mit namenlosen Dukaten bereicherte, nicht aber – wie Pavée – an Beutegut, dessen Ursprung noch nachträglich feststellbar gewesen wäre.
Ich wollte allein diese Räuberhöhle betreten, in der mit Blut gehandelt wurde, und ließ den stöhnenden Pierre Journet auf der Straße zurück, bei Anicet und den beiden Soldaten. Miroul und Samson hatte ich angewiesen, im Hof des Bischofsamtes auszuharren, weil ich sie nicht in eine Sache verwickeln mochte, deren Ausgang mir ungewiß schien.
Bouillargues war umgeben von Emissären, die er minütlich in die Stadt aussandte; auch waren da vier oder fünf Sekretäre oder Haushofmeister, die ich der Reihe nach schmieren mußte, um zu ihm vorgelassen zu werden. Er empfing mich vorsichtig und kühl, er mochte sich fragen, wer ich denn war, ob ich nicht ebenfalls ein Huhn sei, das sich rupfen ließe. Ich tat gelassen, nicht grimmig noch hochmütig, jedoch wie ein Mann, der sich nichts abtrotzen läßt. Ich sagte meinen Namen, woher ich käme, wer mein Vater sei. Dann überreichte ich ihm den Brief von Cossolat, und als er ihn gelesen hatte, den von Monsieur de Chambrun. Ersterer, bin ich sicher, sprach ihn eher an. Nun er mich in der Gunst Cossolats wußte und in der Gunst von Monsieur de Joyeuse (der zwar Papist war, den er aber nicht brüskieren durfte) änderte er seinen Ton, seine Miene, das Gehabe; sehr höflich bot er mir Platz an und befragte mich über meine Händel mit François Pavée. Bei meinem Bericht setzte er grimmige Miene auf, fand es unduldbar und seine Befugnisse überschreitend, daß François Pavée eigenmächtig einen Mord befohlen hatte. Noch in vollem Zorn diktierte er einem Sekretär einen Brief an Pavée und ließ ihn gleich überbringen. Dann schrieb er meinen Namen als auch die von Samson und Miroul auf Passierscheine, die stapelweise auf seinem Tisch lagen und die er, wette ich, den Papisten für Geld aushändigte. Nachdem er sie unterzeichnet und ich sie erleichtert an meine Brust gedrückt hatte, erzählte ich ihm, ohne indes den Namen zu nennen, von dem kleinen Geistlichen, den Anicet und ich aus den Krallen
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