Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
gar, wie gräßlich unnütz dieses Abschlachten war.
    Während die Nacht Bleiche annahm, kam es zu einem Zwischenfall, der mich sehr berührte und mir wieder Vertrauen gab zu den Menschen; ich gewann die Gewißheit, daß es wenigerböse Menschen gibt als böse Gedanken, deren einer – vielleicht der schlimmste – besagt, daß jedes Mittel recht sei, um den vermeintlich wahren Glauben voranzubringen. Wenn nicht mehr diese unheilvolle Maxime gilt, die der Urgrund all unserer Übel ist, findet man im Herzen fast aller Menschen Saatkörner des Guten, und ein Geringes nur ist erforderlich, um sie zum Keimen zu bringen.
    Unter den Vollstreckern war mir ein kräftiger, wohlgestalter Bursche aufgefallen, der keinen üblen Eindruck machte. Er schien eher aus Pflichtgefühl denn aus Wollust zu töten; weder beleidigte er die Opfer noch plünderte er sie aus, seinen Beuteanteil ließ er den Raffern. Nun geschah es, daß dieser junge Mann, weil ihm das Töten plötzlich leid, herbeikam und sich an die Mauer lehnte neben uns. Den bluttriefenden Degen in der Hand, sprach er mit einem Seufzer:
    »Ach, Freunde, wir töten und töten! Sind das nun unsere schönen Evangelien?«
    Hier verließ mich die Vorsicht, obwohl Miroul mir die Hand preßte; aber ich konnte nicht an mir halten und sagte:
    »Gewiß nicht!«
    Der junge Mann schien überrascht von meiner Erwiderung, die er freilich hätte erwarten müssen, da sie im Kern schon seiner Frage innewohnte.
    »Ihr habt also nicht getötet?« fragte er schließlich.
    »Nein, wir sind hier, weil wir auf Hauptmann Bouillargues warten«, sagte ich.
    »Ha, Moussu, der wird mit Sicherheit nicht kommen«, sagte der junge Mann. »Der Fuchs ist viel zu klug, der besudelt sich die Pfoten nicht mit Blut. Ich werde Euch sagen, wo er ist, oder besser Euch hinführen, wenn das schändliche Treiben hier vorbei ist.«
    Ich dankte ihm herzlich für das Anerbieten, und er fuhr fort:
    »Ich heiße Anicet, bin dreiundzwanzig Jahre und Weber von Beruf. Lieber hätte ich die ganze Nacht an meinem Webstuhl gesessen, anstatt so viele meinesgleichen abzuschlachten. Bei Gui Rochette und Quatrebar, die Feuer und Flamme gegen uns spien, mag das ja noch angehen. Aber Robert Grégoire, der ein so friedvoller Papist war! Muß man ihn töten, nur weil er Rochettes Bruder ist?«
    »Und muß man Rochette oder Quatrebar töten, Anicet?Gehören denn alle Papisten, die uns den Flammentod wünschen, ans Messer?«
    »Ich weiß nicht, Moussu. Unsere Herren sagen, wir müssen die Papisten beerben, damit nicht die Papisten uns beerben … und also müssen wir sie töten, bevor sie uns töten.«
    »Ich mag das Wort ›beerben‹ nicht«, sagte ich. »Es riecht mir zu sehr nach Geld und Beute.«
    »Da habt Ihr recht, Moussu«, sagte Anicet. »Seht Euch nur diese schamlosen Fleddereien an. Ist dies nun der Glaube Calvins?«
    Zwei Soldaten schleppten einen jungen Burschen herbei, der am linken Schenkel eine klaffende Wunde hatte. Der eine hielt ihn am Kopf gefaßt, der andere an den Beinen, und wenige Schritte vor uns warfen sie ihn auf das Pflaster. Der junge Mann stöhnte, doch die beiden scherte das nicht; unter abscheulichen Flüchen begannen sie ihn zu entkleiden, dabei er so zu liegen kam, daß er uns das Gesicht zuwandte, von den Fackeln voll angestrahlt.
    »Heiliger Antonius!« rief Anicet, »das kann ich nicht zulassen!« Seinen Degen in der Hand trat er vor und sagte mit lauter Stimme: »Freunde, haltet ein! Ich kenne diesen Mann. Er heißt Pierre Journet, ist niederer Geistlicher im Bischofsamt, noch ohne Tonsur, und hat nie etwas gegen uns gesagt oder getan!«
    »Aber er hat sich mit dem Bischof und seinen Lakaien versteckt gehalten«, sagte der eine Soldat. »Robert Aymée hat ihn mit dem Spieß am Schenkel verwundet und uns befohlen, ihn hierher zu bringen.«
    »Was! der Galgenstrick Aymée erteilt uns Befehle? Dazu sind nur die Herren ermächtigt, oder Hauptmann Bouillargues!« rief Anicet.
    »Mir egal, wer ermächtigt ist oder nicht«, sagte der zweite Soldat. »Der Bursche gehört uns, weil wir ihn hergeschleppt haben. Und ich will sein Wams!«
    »Und ich seine Hose!« sagte der andere.
    »Bei Gott, das ist Diebstahl und Beutemacherei!« rief Anicet und bedrohte sie mit dem Degen. »Hände weg von dem Burschen und seiner Habe, laßt ihm das Leben, oder ihr seid des Todes!«
    Die beiden wechselten Blicke, flüsterten miteinander. Plötzlich zogen sie ihre Degen.
    »Verdammt!« rief der eine, »wir sind zwei gegen

Weitere Kostenlose Bücher