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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Rückweg – gütigst Besuch abstattet.«
    »O ja! O ja, Monsieur de Siorac! Aber darf ich Euern Bruder heute trotzdem sehen und ihm meine Pflege angedeihen lassen?«
    »Madame, hierum wollte ich Euch sogar bitten. Mein Diener und ich, wir haben andernorts zu tun, wir werden eine gerüttelte Stunde fort sein. Mein Bruder bleibt allein im Zimmer und bedarf dann seiner liebevollen Ärztin.«
    Sosehr sie mein Anerbieten erhofft hatte, zögerte sie nun doch, gab mich jäh aus der Umarmung frei und fragte leise: »Aber mein Herr, darf ich das wagen? Mit Euerm Bruder allein?«
    »Dies vermag Eure Mildtätigkeit Euch besser zu beantworten.«
    Ich war ein bißchen ungehalten ob solchen Schamgebarens in letzter Minute, das nur Getue war. Im Dunkel tastete ich nach ihrer zitternden Hand, drückte ihr einen Kuß auf und enteilte, weiteren Redens nicht gelüstig.
    Ich weiß: manch einer, der dies liest, wird mich der Venus ganz verfallen wähnen, nun ich, ein Schürzenjäger, auch Samson eine Schürze (gar eine der entflammtesten) ins Bett legte. Doch tat ich es aus Zuneigung zu ihm, ich war beinahe väterlich besorgt, daß Samson vollends seinem äußeren Erscheinungsbild entsprechen möge, denn er hatte nichts von einem Kastraten oder einem weibischen Kerl, er war nicht nur sehr schön, sondern auch kräftig von Statur, robust und in den Muskeln wohl geformt. Ein Jammer, wenn dieser schöne Hengst wie eine vertrocknete Nonne in der Zelle lebte.
    Was die Sünden betrifft, die ich beging und wohl noch bis ins eisige Alter begehen werde, erinnere ich, auch wenn ich nicht Augsburgischen Bekenntnisses bin, an Luthers schönes Wort:
Esto peccator et pecca fortiter, sed fortius fide et gaude in Christo
, will heißen: Sündige kräftig, glaube aber um so heftiger an Christus und freue dich in ihm. Eine nicht unumstrittene Empfehlung, weil sie auch große Leichtfertigkeit zu erlauben scheint. Aber nicht darum gefällt sie mir, sondern weil die Liebe zu Gott nach meinem Verständnis die Liebe zu seinen Geschöpfen einschließt. Sowenig der Körper dem Prinzip, das ihn belebt, geopfert werden sollte, sowenig sollten Glaube und Freude je voneinander getrennt sein.
     
    Für die dreißig Meilen von Lézignan nach Montpellier benötigten wir kaum fünf Tage; nicht daß die Pferde unserer Begleiter schneller gewesen wären als die von Caudebec, doch hätten sie gänzlich erschöpft sein müssen, nicht mehr imstande, einen Huf vor den anderen zu setzen, damit wir länger als eine Nacht in einer Herberge geblieben wären.
    Diese Kaufleute, drei an der Zahl und Kompagnons, warenGraubärte, aber kernig, aufgeschlossen, von flinkem Lächeln und freundlichem Wort, was gewißlich die Kundschaft verlockte; doch ihre Seele war hart wie Stein. Ihr Blick, ihr Denken und Fühlen galt nur den Schafhäuten, die sie da karrten und die sie zählten und zählten aus Angst, von einem Diener bestohlen zu werden. Auch trauten sie einer dem andern nicht, belauerten sich von frühmorgens bis abends und taten wohl auch des Nachts nur ein Auge zu. Ihnen war zum Nächtigen jede Herberge recht, sofern sie ihnen nur Speise gab, sich den Bauch zu füllen, und ein Bett, neue Kräfte zu schöpfen, wobei sie die Häute im Zimmer lagerten, trotz des Gestanks. Um den Rest, der den Charme unserer Herbergen ausmacht (und ihren Ruf außerhalb Frankreichs): die Güte der Speisen, das Bukett der Weine, der Liebreiz unserer Kammermädchen – darum scherten sie sich nicht. Sie hatten nur ihre Zahlen im Kopf, ihre Gewinne und Risiken, nichts als das.
    Wir waren so ungeduldig, endlich die Stadt Montpellier zu erreichen, von der unser Vater uns gar viel erzählt hatte, daß wir zwei Meilen vor ihren Toren unseren Pferden die Sporen gaben und die Truppe verließen. Über die Schulter schauend, sah ich die Händler hinter uns kleiner und kleiner werden, dann hinter der Wegbiegung verschwinden mit ihren Wagen, ihren Dienern und ihren Häuten, deren Gestank ich noch in der Nase hatte, wie kräftig ich auch die gute warme Luft atmete, die von Wohlgerüchen erfüllte trockene Brise dieser Landschaft; denn so karg und steinig das Land sein mag (im Gegensatz zu meinem grünen Périgord), es birgt eine wunderbare Vielfalt an aromatischen Gewächsen, deren Düfte das Atmen zur Wonne machen.
    Eine Meile vor Montpellier jedoch schien sich das Antlitz der Flur zu wandeln, unverhofft sahen wir ein abgeerntetes Getreidefeld und inmitten einen riesigen Garbenhaufen, wo die Bauersleute beim

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