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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gemeinsam bis Montpellier reisten, alle gut bewaffnet und sehr mutig. Dem Vernehmen nach sei seit zwei Jahren schon kein Konvoi mehr überfallen worden. Lachend fügte sie hinzu (denn ich hatte meine Hände auf ihre runden Hüften gelegt), daß sie mich, ei gewiß, gern noch länger in ihrer Herberge behalten würde, da ich sehr liebenswürdig sei, doch sie verstehe meine Ungeduld, mich von den Pilgern aus dem Norden abzusetzen, welche gar langsam rittenund es sich lange Tage gütlich täten in den Herbergen, wo sich, wie im
Einhorn
auch, gute Speise böte, guter Wein und sonstige dem Reisenden erholsame Bequemlichkeiten. Falls ich es wünschte, wolle sie mich gern etlichen Kaufleuten vorstellen, die am folgenden Tag abzureisen gedächten; damit erweise sie nicht nur mir, sondern auch ihnen einen Dienst, habe sie doch von meinem Diener Miroul erfahren, was wir für tapfere Edelleute seien. Mit tausend Dank nahm ich ihr Angebot an und durchmengte es mit Schmeicheleien meines Alters. Die Wirtin wies diese nur sanft zurück, machte eine tiefe Verbeugung und lächelte so verständnisinnig, daß ich augenblicklich Feuer fing. Ich sah sie sich entfernen, und meine Überlegung war: Es muß einer nur aus seinem Loch kriechen und zu reisen beginnen, gleich lacht ihm die Welt in unendlicher Vielfalt!
    Der Gedanke, daß ich Caudebec bald los sein und daß ich in dieser Nacht mein Tun haben würde, stimmte mich fröhlich. Leicht war mein Gang und beschwingt mein Herz, als ich in unser Zimmer eilte, Samson den geplanten Aufbruch zu melden: endlich wäre Schluß mit dem Geldausgeben in den Herbergen! Ich war gewiß, er würde glücklich sein, daß wir die Pilger aus dem Norden hinter uns ließen und zügig mit Leuten unserer Provinzen reisten. Doch mein schöner Engel schien vergessen zu haben, daß er unsere Börse verwaltete, auf seinen Lippen war wenig Freude, er tat den Mund kaum auf, wandte sich traurig ab. Da begriff ich seinen Kummer und gedachte ihn zu beheben.
    Ich hieß Miroul mitkommen, befahl ihm, sich mit anderen Dienern zu vergnügen und unserem Zimmer möglichst lange fern zu bleiben. Dann suchte ich Dame Gertrude du Luc in ihrem Quartier auf und nahm sie beiseite, da noch zwei Damen anwesend waren, die neugierig die Ohren spitzten. Bei ihrer Namenspatronin ließ ich Dame Gertrude schwören, daß sie ganz für sich behalten wolle, was ich ihr gleich zu sagen gedächte. Sie tat den Schwur, und ich eröffnete ihr, daß wir am kommenden Morgen in aller Frühe aufbrechen würden, ohne Abschied vom Baron, weil wir fürchteten, daß er – aus wildem Zorn, seinen Dolmetscher zu verlieren – uns vielleicht gewaltsam zurückhielte und wir dann, Samson und ich, den Degen ziehen müßten. Als Dame Gertrude dies hörte, erbleichte sie. Ich solle das Zimmer verlassen, flüsterte sie, und sie auf derTreppe erwarten. Ich tat wie geheißen. Der Ort war sehr dunkel und erinnerte mich an die Wendeltreppe in den
Zwei Engeln.
    Minuten später vernahm ich die Schritte der in Pantoffeln daherkommenden Dame.
    »Monsieur de Siorac?«
    »Hier bin ich.«
    »Ach, Monsieur!« seufzte sie mit wogendem Busen, den ich nicht sah, wohl aber spürte, denn in ihrem jähen Kummer umarmte sie mich so heftig, als wäre ich mein Bruder. »Ach, Monsieur!« wiederholte sie mit erstickter Stimme, dabei ihre Tränen meine Wangen näßten. »Welch beklagliche Nachricht! O Jammer! Er zieht fort! Schon morgen!«
    »Vor Tau und Tag.«
    »Aber Monsieur, warum diese plötzliche Abreise? Läßt sie sich nicht aufschieben?«
    »Leider nein, Madame! Wir sind Scholaren, unsere Börse erlaubt uns nicht so viele Herbergsaufenthalte.«
    »Könnte ich nicht das Fehlende vorschießen? Geniert Euch nicht, es anzunehmen. Gottlob bin ich nicht unvermögend.«
    »Aber Madame! Geld leihen in einem Fall, der es nicht erforderlich macht!«
    »Ich bitte um Vergebung, Monsieur!« Sie preßte sich an mich, krallte mir ihre Finger in den Rücken. »Ich bin wie von Sinnen, so sehr betrübt es mich, meinen kleinen Kranken zu verlieren. Wie nimmt denn er es auf?«
    »Er ist untröstlich, sagt aber kein Wort.«
    »Daran erkenne ich, wie tapfer er ist!« sprach sie mit Genugtuung in der Stimme. Ich war sehr bewegt, und fast beneidete ich meinen Bruder, daß er soviel Liebe hatte anfachen können.
    »Madame, in Montpellier wohnen wir bei Meister Pierre Sanche, dem Apotheker an der Place des Cévenols. Wir bauen darauf, daß Ihr uns auf der Durchreise nach Rom – und dann genauso auf dem

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