In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Dreschen waren. Welcher Vorgang uns so verwunderte, daß wir die Pferde anhielten, denn in unserem Périgord, regnerisch selbst im Juni, wird das Korn unter den Schuppendächern gedroschen, mit Flegeln. Hier dagegen war der Boden im Juni so heiß und so hart, daß dies auf freiem Felde möglich war.
Ich ritt näher heran und sah einen peitschenbewehrten Mann auf dem Garbenhaufen, der am Ende einer langen Leine sechs Pferde führte, die mit verbundenen Augen immerzu im Kreisgetrieben wurden. Andere Männer hatten Forken in der Hand und warfen die Bündel eins nach dem andern den Pferden unter die Hufe, bis Stroh und Korn voneinander getrennt waren.
Da die Männer in der Arbeit einhielten, um ihren Trester zu trinken und den Pferden etwas Erholung zu gönnen, wandte ich mich an einen Landmann, der seinem Gehabe und seiner Stimme nach wohl der Vorarbeiter war. Klein war er, hatte braunes Haar, wirkte sehr dunkelhäutig und sprach gewandt und leicht. Sie warteten, erklärte er, auf den Wind, der in diesem Landstrich gegen Abend aufkommt, um dann die Spreu von den Körnern zu trennen; die leichte Spreu würde nach der einen Seite fortgeweht, und auf dem Haufen blieben blank und sauber die Körner zurück. Ob sie nie auf den Gedanken kämen, das Getreide unterm Dach zu dreschen, fragte ich, er aber sagte, das habe er hier zeit seines Lebens nicht gesehen, hier falle im Sommer kein Regen.
Er musterte mich lebhaft, wünschte seinerseits Fragen zu stellen, gab mir zu verstehen, daß er meiner Neugierde entsprochen habe und es nur recht sei, wenn ich ein Gleiches täte. Also tat ich Bescheid, wer wir seien, wohin wir wollten und wozu.
Es schien ihm sehr zu schmeicheln, daß wir von so fern herkamen auf so gefährlichen Straßen, um in Montpellier zu studieren; es sei dies die schönste und größte Stadt im Languedoc, erklärte er, Toulouse sei dem Vernehmen nach zwar größer, aber wennschon! keine Stadt in unseren Provinzen halte dem Vergleich mit Montpellier stand, was seine Schönheiten betrifft, das angenehme Leben, das milde Klima. Montpellier, fuhr er fort, kenne die kalte Jahreszeit kaum, dagegen er habe erzählen hören, der König von Frankreich in seinem Louvre sehe manchen Winter unter seinen Fenstern im Seine-Fluß Eisschollen treiben. Bei solchen Berichten, fügte er hinzu, fühle er so gräßliche Kälteschauer über seinen Rücken gleiten, daß er lieber zeit seines Lebens Bauersmann zu Montpellier denn König in der Hauptstadt sein möchte.
All das sagte er mit einem Anflug von spöttischem Lächeln, das seine Prahlereien halb in Abrede stellte. Seine feine Art, sich über andere und über sich selbst lustig zu machen, behagte mir sehr, und als ich später die Menschen des Languedoc besser kannte, wußte ich denn auch, daß dieser Schalk ihrem Naturell sehr eigen ist.
»Tausend Dank, braver Bauersmann«, rief ich, hierauf er lächelte, weiß der Herrgott warum.
Ich gab dem Pferd die Sporen, Samson ebenso, doch erst eine halbe Meile weiter holte Miroul uns ein, der mit den Leuten noch ein bißchen geschwatzt hatte.
»Herr und Meister«, rief er, die Wangen wie gebläht von der Neuigkeit, die er brachte, »der Mann, den Ihr für einen Bauern hieltet, ist nichts dergleichen, wie sehr er sich aus Bequemlichkeit so kleidet. Pécoul heißt er und ist ein sehr betuchter Messerschmied, er besitzt zu Montpellier einen großen schönen Laden in der Rue de l’Espazerie und verkauft Hieb- und Stichwaffen. Dies ist sein Land, und er legt lieber selbst mit Hand an, das Korn einzubringen: beim Einsacken traut er keinem.«
»Heiliger Antonius, Miroul!« rief ich. »Deinen zwiefarbenen Augen entgeht wahrhaftig wenig! Und noch weniger deinen gespitzten Ohren!«
»Sehr zu Euerm Vorteil, mein Herr und Meister«, entgegnete Miroul mit gut gespielter Demut.
»Was hast du sonst noch erfahren?«
»Daß wir allernächst durch einen Olivenhain kommen, wo der Henker sein Wesen treibt; dann passieren wir eine hölzerne Palisade, die zum Schutz der Vorstädte dient; hernach gelangen wir vor die Gemeine Einfriedung.«
»Gemeine Einfriedung?«
»So nennen die Leute von Montpellier ihre Stadtmauer.«
»Wirklich sehr hübsch. Und wie du den Leuten die Würmer aus der Nase ziehst, ist wunderbar. Samson, hast du Mirouls Rede gehört?«
Ach, mein lieber Bruder hatte die Rede nicht gehört und nicht meine Frage. Er ritt bei hängenden Zügeln, starrte auf die Ohren seiner Albière, wurde abwechselnd bleich und rot im Gesicht,
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