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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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einer kleinen Eiche Schatten suchte.
    »Herr Baron, Ihr führt in Euerm Gepäck ein Fäßchen Malvasier mit, auf das Ihr so sehr achthabt. Schenkt es mir bitte zum Lohn für meine guten Dienste.«
    Noch heute lache ich, wenn ich an die Miene denke, die Caudebec bei diesem meinem Begehren aufsetzte. Und er rückte den Malvasier nur deshalb heraus, weil er nicht recht wußte, wie er mir die Bitte abschlagen sollte. Mit Miroul, der das Fäßchen auf der Schulter trug, kehrte ich zu dem Gefangenen zurück.
    »Espoumel, wieviel Schießprügel hast du hier erspäht, seit du unter uns weilst?« fragte ich ihn.
    »Kann ich nicht sagen, Moussu, jedenfalls aber viele, und sogar in den Händen der Weiber.«
    »Und wir, wieviel Leute sind wir?«
    »Jedenfalls viel.«
    »Mehr als die Leute deiner Bande?«
    »O ja.«
    »Recht hast du. Wir sind über hundert. (Samson, der mich nicht gern lügen hörte, legte die Stirn in Falten.) Nun denn, Espoumel, geh und berichte deinem Hauptmann, was du über uns weißt, und überbringe ihm dieses Tönnchen, das mein Diener deinem Pferd aufbindet. Sag ihm, der hochedle mächtige Baron von Caudebec schicke es ihm als Entschädigung für die vier Kameraden, die wir getötet haben.«
    Hier riß Espoumel seine dümmlichen Äuglein weit auf und wußte nicht, was sagen und tun. Miroul brachte ihm den Klepper und half ihm in den Sattel, denn der Ärmste hatte so viel Blut verloren, daß er ganz schlapp war.
    »Reite los, Espoumel«, befahl ich, als er zögerte, sein Pferd in Bewegung zu setzen.
    »Moussu, wenn ich all das, was Ihr mir sagtet, meinem Hauptmann mitgeteilt habe, muß ich dann hierher zurückkommen, um gehenkt zu werden?«
    Mir blieb einen Augenblick die Sprache weg, so verblüfft war ich über seine Gewissenhaftigkeit.
    »Keineswegs!« sagte ich, »du bleibst bei deinen Leuten und bittest den Herrgott, dir deine dicken Sünden zu vergeben.«
    Espoumel bekreuzigte sich, und ohne mich noch einmal anzublicken – so sehr fürchtete er, ich könnte mich eines anderen besinnen –, trieb er seine Mähre an und entschwand hügelabwärts.
    »Herrje! Monsieur de Siorac!« schrie Caudebec und kam gestikulierend angerannt. »Euer Gefangener ist Euch entwischt! Samt meinem Fäßchen!«
    »Keineswegs, Herr Baron. Ich habe ihn ziehen lassen. Der Mann kann nicht zählen, er wird seinem Hauptmann ausrichten, daß wir mehr als hundert sind, und alle mit Pistolen bewaffnet. Und Euer lieblicher Nektar wird den Bandenführer in weniger als einer Stunde eingeschläfert haben.«
    Im Grunde hätte es bei einem so naiven Gefangenen genügt, die Zahl der Pilger zu verdoppeln, ohne den Baron seines Malvasiers zu berauben. Aber Caudebec war ich seit seiner inquisitorischen Frage gründlich leid, und so war es mir eine Wonne, ihn mit diesem Schabernack zu ärgern.
    Ich begleitete Caudebec zu der krüppligen Eiche zurück, die ihm Schatten spendete. Sehr betroffen vom Verlust des Malvasiers und gezwackt von seinem Geiz, der in ihm so kräftige Wurzeln trieb, stattete er mir kühl einen mageren Dank ab für alles, was ich getan, und ich muß gestehen: wäre die Gefahr nicht gewesen, hätte ich ihn ob seiner Undankbarkeit unverzüglich verlassen.
    Wir rüsteten zum Aufbruch, und als ich mich wieder bei Samson und Miroul einfand, waren auch unsere Pferde da. Miroul zog ihnen die Bauchgurte fest, während Samson gegen seine Albière lehnte und willig die barmherzigen Dienste der schönen Dame Gertrude du Luc duldete, die ihm mit einem feinen Taschentuch die Schläfen abtupfte.
    »Monsieur de Siorac«, sprach sie mich an, »ist es nicht ein Wunder, daß Euer Herr Bruder trotz des schleichenden Fiebers so tapfer gefochten hat gegen die Banditen? Jetzt ist er ganz in Schweiß gebadet, so sehr ist sein Fieber gestiegen. Ob er uns wieder in Ohnmacht fällt?«
    »Durchaus möglich bei seiner augenscheinlichen Verfassung«, erwiderte ich ernst. »Wollt Ihr so liebenswürdig sein, ihn zu stützen, unterdessen ich meiner Accla den Sattel festzurre?«
    »Aber ja, aber gern. Denn ich liebe ihn wie mein eigen Kind, auch wenn ich altersmäßig nur seine große Schwester sein könnte.«
    Bei diesen Worten legte sie ihm den Arm um die Hüfte und drückte ihn fest an sich, damit er nur ja nicht umfiele, obwohl er sich mit dem Rücken gegen seine Stute Albière lehnte, eine Hand am Hinterpauschen, während die andere die am Sattelknopf hängenden Zügel hielt; allerdings hatte er die Lider halb geschlossen. Ha, Samson, mein schöner

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