In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
betäubenden Gerüche ihrer Kocherei einatmeten.
»Hier nun«, sprach Meister Sanche, »haben wir kostbare Gerätschaften, die alle, oder beinahe alle, von den Mauren erfunden wurden, unseren Lehrmeistern in allem, was die Alchimie betrifft, selbst das Wort Alchimie ist sarazenisch und alle Begriffe, welche die hier befindlichen Geräte bezeichnen. Dieser Ofen von mäßiger Verbrennungskraft heißt
athanor
, im Arabischen
al tannur.
Diese verspundenen Röhren aus gebranntem Ton, die wir zur Sublimation fester Körper verwenden, heißen
aludel
, im Arabischen
al udal.
Und diese Retorte heißt
alambic
, im Arabischen
al inbig
, sie wird zum Destillieren benutzt. Alles hier ist sarazenischen Ursprungs, vom Schmelztiegel und der Räucherpfanne bis zum Brennkolben.«
»Aber, hochrühmlicher Meister, was hat es mit der Sublimation auf sich? Wozu dient sie?« fragte Samson, dessen Augen vor Begeisterung glänzten.
»Mittels Sublimation, und da nun gelangt der
aludel
zur Anwendung, läßt man einen festen Stoff in den gasförmigen Zustand übergehen. Und kühlt der Dampf dann ab, verfestigt er sich zu Kristallen, die viel sauberer, viel reiner sind als der Ausgangsstoff. So gewinnt man aus dem Quecksilber den sublimierten Ätzstoff, der zur Heilung der italienischen Seuche viel Anwendung findet.«
Hier wandte sich Meister Sanche an mich und musterte mich mit ernstem Blick.
»Mein Neffe, nehmt Euch da sehr in acht. Die neapolitanischeSeuche ist auf dem Lande, wo Ihr herkommt, kaum bekannt, wohl aber in einer so großen Stadt wie Montpellier. Bakkalaureus Fogacer wird Euch Aufklärung geben. In der Rue des Etuves, wo die Herren Scholaren Bäder zu nehmen pflegen, treiben sich die Flittchen herum, die nahebei ein Zimmerchen haben und für etliche Sols die Beine breit machen. Manche dieser Mädchen sind jung und reizend, von festem Fleisch, hübschem Gesicht, kernigen Brüsten. Allein die jungen Burschen, die wir Ihr, mein guter Neffe, nur auf Sinnenlust bedacht sind und diese äußerlich gar schönen, innerlich aber faulen Früchte genießen, erwachen eines Morgens mit eiterndem
nephliseth
, und mag sie das sublimierte Quecksilber auch von ihrem Übel heilen – ihnen fallen die Haare und die Zähne aus.«
Teufel! durchfuhr es mich, dabei ich reuig den Kopf wiegte, was einem in dieser Apotheke so alles verwehrt wird! Typhème, weil sie dem Doktor Saporta zur Ehe versprochen ist! Fontanette aus mir noch nicht bekanntem Grunde! Nun gar auch die Freudenmädchen der Rue des Etuves! Gibt es in dieser schönen Stadt kein Weib, dem ein ehrbarer Jüngling sein tatendurstiges
nephliseth
anvertrauen darf, ohne Haare und Zähne zu verlieren? Soll etwa dies mein Leben hier sein: Hunger leiden am Tisch, im Bett kastriert sein wie ein Eremit und meinen soliden Körper sublimieren müssen in den sauren Dämpfen der Keuschheit? Wie soll einer das ertragen? Wenn der
aludel
zu fest verschlossen ist, wird er am Ende bersten.
Ich fühlte Meister Sanches gestrengen Blick auf mir, sah auch von Samson mich beäugt. Und um meine Verwirrung abzustreifen, wandte ich mich von den beiden fort, trat an einen der Gehilfen heran, dem der Schweiß über die Stirn rann.
»Guter Freund, was stampfst du da so gewaltig in diesem Mörser?« fragte ich ihn.
»Er kann Euch nicht antworten«, sagte der hinzutretende Meister, »er hat, wie sein Zwillingsbruder, eine sehr träge Zunge. Freilich, die beiden geben Laute von sich, doch nur ich kann sie verstehen, was mir sehr lieb ist, denn so können sie keiner lebenden Seele die Geheimnisse meiner Präparate ausplaudern.«
Er lächelte verschmitzt, wurde jedoch gleich darauf wieder sehr ernst.
»Meine lieben Neffen, was die Apotheker voneinander unterscheidet, ist weniger die Zusammensetzung der Heilmittelan sich, die gilt ja
grosso modo
als bekannt; vielmehr ist es das genaue Mischungsverhältnis der Ingredienzien und der Dreh, wie sie verbunden werden, sei es mittels Sublimation, Absieden oder Reduktion. Bei diesen Operationen,
crede mihi experto
1 , gibt es sehr viele geheime Rezepte, die mir mancher Innungsbruder neidet und mir am liebsten entreißen möchte. Aber ich werde mich hüten, mir solcherweise Geheimnisse stehlen zu lassen, die ich für wertvoller halte als des Königs Schatz, habe ich sie doch von meinem Vater, und mein Vater hatte sie von seinem, und der von meinem Urahn; zudem habe ich beträchtlich viel hinzugefügt durch unerhörten Fleiß zeit meines Lebens und bin dank den besagten
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