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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Bischof, Seine Heiligkeit der Papst oder ein großer Finanzmann«, bemerkte Meister Sanche mit feinem Lächeln. »Jacques Cœur 1 , erzählt man, hat sie sich gern geleistet.«
    »Hochrühmlicher Meister, Ihr habt den Alaun genannt«, sagte ich. »Mein Vater in Mespech bediente sich seiner, um den Bauchfluß zu stillen und zu beheben.«
    » Bene, bene!
Der Alaun ist ein verengendes Mittel und findet auch noch esoterischere Anwendung. (Hier kraulte er sich ein wenig anzüglich den Bart und musterte mich halb ernst, halb spöttisch.) Die werdet Ihr eines Tages vielleicht Euren schönen Patientinnen anempfehlen, wenn Ihr erst Arzt seid, mein lieber Neffe. Heißt es doch, Alaun könne Wunder vollbringen an verborgenen Körperteilen des Weibes; Kleopatra habe sich seiner bedient, um die Innenwand ihrer Muschel zu straffen, somit sie Caesar jedesmal das trügerische Gefühl von erneuerter Jungfräulichkeit gab.«
    Ich brach in schallendes Lachen aus und sah Meister Sanche nun mit anderen Augen: gar sehr gefiel mir, daß sich hinter seinem Gehabe ein menschliches, heiteres Gemüt kundtat. Recht besehen, hätte mir das schon eher auffallen müssen, beim Anblick seiner schönen jungen Frau. Samson allerdings errötete bei diesen anzüglichen Worten; prompt fragte er:
    »Hochrühmlicher Meister, um auf den Hyazinth zurückzukommen – wie kann ein Kranker so viele Steine, auch Edelsteine, auf einmal schlucken?«
    »Haec est bona questio!
2
«
rief Meister Sanche, dem nichtentgangen war, wie sehr Samson sich für seinen Beruf interessierte. Im übrigen zeigte er sich, vielleicht weil er selber so häßlich war, desto beeindruckter von der Schönheit meines Bruders, den er an den folgenden Tagen bei Tische nicht anschauen konnte, ohne in seinen Bart zu murmeln:
»Ha! Qué matador! Qué matador!«
Was, so Fogacers Auskunft, in seiner maranischen Rede hieß: Welch schöner Bursche!
    »Vernehmt, mein Neffe«, sprach Meister Sanche, Samson am Arm fassend, »daß man die ganze Masse dieser Steine oder einen Teil, je nach den vorgeschriebenen Dosen, in einen Mörser gibt. Man zerstampft sie zu feinem Pulver, versieht dieses mit der gleichen Menge an Honig und verrührt das Ganze zu einem Brei, den wir
Elektuarium
nennen, und diese Latwerge von so kostbarem Inhalt überreichen wir dem Kranken in einem Schächtelchen aus Ebenholz.«
    »Wie viele Reichtümer auf diese Weise verschlungen werden!« rief Samson unschuldhaft.
    »Gewiß! Gewiß!« sprach Meister Sanche, »Gesundheit kommt die Großen teuer zu stehen!«
    »Und welche Leiden heilt der Hyazinth?« fragte ich.
    »Das werdet Ihr von Euren Professoren am Medizinkolleg erfahren«, sagte Meister Sanche.
» Non medicus sum
1 , und den Regeln meines Berufes gemäß verfertige ich Heilmittel nur auf Bestellung eines Arztes oder mindestens eines Bakkalaureus. Allerdings habe ich durchaus einige Vorstellung, welche Leiden der Hyazinth zu heilen vermag, doch das behalte ich für mich, lieber Neffe, möchte ich mich doch nicht auf dem Gebiet und in den Domänen der königlichen Professoren ergehen.«
    Eben das aber tat er anschließend, wandelte mit gelehrten Reden durch diese fremden Domänen.
    »Hier nun der verborgene Ort, an dem wir arbeiten und unsere Heilmittel herstellen«, sprach Meister Sanche, während er auf eine kleine, sehr niedrige Tür zuschritt, nicht weniger bewehrt und eisenbeschlagen als die Eingangstür, durch die wir in seine Schatzkammer gelangt waren. Er riegelte auf, und wir betraten ein zweites Gewölbe, das geräumiger und besser erhellt war durch zwei Luken, in deren Gitterstäbe die beiden Köter des kleinen Hofes sogleich knurrend ihre Schnauzensteckten. Doch dieser Raum nun barg menschliche Wesen, zwei Gehilfen arbeiteten da mit großem Fleiß, in Beinkleid und Hemd, aber ohne Wams und Kragen, denn hier loderten verschiedene Herdstellen, und die Hitze war unerträglich.
    Die Burschen mochten etwa zwanzig Jahre sein und waren sehr mager, was mir nicht verwunderlich schien, schwitzten sie doch jämmerlich und verloren so vom Morgengrauen bis Sonnenuntergang an Substanz und Gewicht, ohne Hoffnung, je wieder zulegen zu können, solange sie nur das zwischen die Zähne bekamen, was Meister Sanches Kochtopf ihnen bot. Auch waren sie sehr bleich, ihre Haut schlaff und ohne Farbe, das Haar strähnig und glanzlos das Auge, vielleicht weil sie so unter Verschluß lebten, wie Gefangene in ihrem Verlies; vielleicht auch weil sie tagtäglich den Rauch, die Dünste und die

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