In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Und nachdem meine stummen Burschen sich den vielen Schweiß fortgewischt, das Hemd gewechselt und einen kurzen Überrock angezogen haben, essen sie ihre Suppe in dem kleinen Hof, wo Balsa die Doggen dann ankettet. Und da, in der Sonne, reinigen sie eine Stunde lang ihre Lungen. So habe ich es in meiner menschlichen und väterlichen Fürsorge angeordnet, will ich sie mir doch gesund und fröhlich bei Dienst halten.«
Und allerdings, wenn man Meister Sanches Verhalten mit dem der Meister in Sarlat verglich, wie die ihre Arbeiter und sonstige Handwerksleute behandelten, durfte er sich gewiß »menschlich und väterlich« nennen. Aber die Mittagssuppe war ein Witz! Nicht die mindeste Gefahr, sich damit die Venen und Arterien des Leibes zu verstopfen! Und wie schon beim Aufstehen in der Früh, gab es nichts vorher und nichts hinterdrein! Eine blanke Suppe, bei der Lauch und Zwiebel den Speck ersetzten. Nur hier und da ein paar spärliche Häppchen zähen Rindfleischs drin, so winzig, daß sie mit einmaligem Schlucken verschwunden waren. Es galt, das dünne Zeug mit aufgeweichter Brotrinde zu strecken, damit sich der Magen füllte. (Ein schwacher Schild gegen die Ansteckung aus der Luft!) Und als Trank der tüchtig mit Wasser verdünnte saure Wein, in der schon berichteten Weise aufgetischt. Ach, Fontanette! Fontanette! Wäre ich doch ein Kannibale aus den Ländern der Barbarie,was würde ich mir für saftige Scheiben aus deinem kernigen Fleisch schneiden! Zumal ich anderen Nutzen nicht daraus ziehen kann, weil mir der übliche Gebrauch verwehrt ist. Gewiß, hier legt der Mensch sich Bildung zu, schöpft gutes Mark, nahrhaftes Fett und schmackhaftes Wissen aus den Reden von Meister Sanche, doch für das Leben, für den Erhalt des Leibes und sein Wohlbefinden wird mit Fleisch gar sehr geknausert!
Doch ich bin den Dingen voraus. Die Glocke schellte ein drittes Mal. Typhème und Luc, letzterer von Fogacer gefolgt, fanden sich zur gleichen Zeit wie wir im Saal ein. Man grüßte einander, und Typhème, in ihrer maurischen Schönheit blendender als eine zu ihrem Scheich geführte Huri, beschied uns mit verschleierter Stimme, Dame Rachel entschuldige sich tausendmal, daß sie in ihrem Zimmer bleiben müsse. Dame Rachel hatte also ein Zimmer für sich (eines der schönsten, erfuhr ich hernach von Fontanette), weshalb es um so verwunderlicher war, daß sie im Saal, quasi vor unseren Augen, hatte entbinden müssen.
Mit einem gewissen Pompgehabe, das er nie abstreifte, entledigte sich Meister Sanche seines silbernen Gürtels. Er zog die Seidenrobe aus und hängte sie an die Waidsprosse eines Hirschgeweihs, das die Wand hinter seinem Rücken zierte. Auf das höchste Holz hängte er die mit amarantfarbener Quaste versehene Mütze, griff nach einem mit Goldseide umsäumten schwarzen Scheitelkäppchen und bedeckte damit die Kuppe seines frisierten dichten Schopfes, der völlig grau war bis auf eine weiße Strähne gegen Stirnmitte. Wir unterdessen standen reglos und stumm da, Augenzeugen dieser Umgewandung.
Wie sehr in diesem Hause Schmalhans Küchenmeister sein mochte, an Zeremonie fehlte es nicht, und diese königliche Umgewandung war nur der einleitende Akt.
Zum zweiten – und entgegen dem Abend davor, an dem wir nach Belieben die Plätze gewählt – wies Meister Sanche diesmal einem jeglichen seinen Schemel an, mit der Bitte, uns den Platz gut zu merken und ihn künftig beizubehalten. Er selbst hatte seinen Platz in der Mitte der Breitseite des Tisches, setzte Luc an seine Rechte und – eine hohe Ehre für ihn – meinen lieben Samson an seine Linke; ich kam auf den Mittelplatz ihm gegenüber, zu meiner Rechten saß Fogacer und zu meiner Linken Typhème. Dame Rachels Platz am oberen Ende des Tischesblieb leer, war aber anstandshalber gedeckt. Am unteren Ende des Tisches Balsa und Miroul, letzterer in diesen Rang nur auf meine inständige Bitte hin aufgenommen, sehr zu des Zyklopen Balsa Ärger und Verdruß, der sich, als er einen Diener an seiner Seite sah, in seinem Stolz verletzt fühlte. Allerdings saß Miroul auf der Seite des scheelen Auges.
Drittens: nach Verteilung der Plätze blieben wir stehen, bis Fontanette mit einer Kanne um den Tisch herum geschritten war und uns, freundlich lächelnd, Wasser angeboten hatte, zum Waschen der Finger. Da war ein jeder schweigend und gemessen am Werk, denn solange der Ritus dauerte, duldete Meister Sanche nicht das geringste Wort.
Viertens: nachdem die Hände in klarem Wasser
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