In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Substanzen und trat vor einen viel höheren und breiteren Schrank, den er mit einem anderen Schlüssel öffnete.
»Hier nun die Nutzpflanzen, die ich zu meinen Arzneien verwende; ihre Zahl ist, Gott sei Dank, unermeßlich. Zunächst die einfachen, deretwegen man sich nur zu bücken braucht: sie wachsen auf den Feldern unseres Königreiches, ganz besonders im Languedoc. Dann jene Pflanzen, Körner, Säfte, Extrakte und Kristalle, die wir für teures Geld aus fernen Landstrichen beziehen: den Zucker aus Candia, Pfeffer von der Malabarküste, Rosenwasser aus Damaskus, das Indigo aus Bagdad, Safran aus Spanien, Henna aus der Levante, das Bilsenkraut aus Persien, den Mohn aus Thebais, Ingwer aus Indien, Zimt aus Ceylon. Und was die Sennesblätter betrifft, mein lieber Neffe (Meister Sanche legte mir hierbei die Hand auf die Schulter), deren purgierende Kraft Euch bekannt ist, sollt Ihr wissen: es gibt in Paris und selbst in Montpellier manchen knausergesichtigen, knickernden Apotheker, der sie zu billigem Preis aus Seyde bezieht; ich aber meine (und hier wurde er lauter), die Sennesblätter aus Seyde sind nur gemeines Zeug, von Schlamm und von sandigem Ton besudelt, sie taugen nicht, einem Esel verabreicht zu werden. Tausendmal eher bevorzuge ich die Sennesblätter aus Alexandria, die freilich teuer, doch dafür sauber, gesund, rein sind.«
Meister Sanche echauffierte sich bei diesen Worten, fuchtelte mit dem Stöckchen, zerzauste sich mit den Fingern den Bart. Ich wunderte mich sehr, daß er, der so knausrig in der Speisung war, eine so lockere Hand hatte beim Erwerb der Substanzen für seine Medizinen. Und ich mußte die hohe Meinung, die dieser Apotheker von seiner Kunst und seiner Verpflichtunggegenüber den Kranken hatte, nur um so mehr bewundern.
»Zu guter Letzt«, Meister Sanche führte uns vor einen kleinen Schrank aus Nußbaumholz, der an allen vier Ecken mittels starker Eisenbänder in der Mauer verankert war, »hier mein kostbarster Besitz: die Mineralien. Ich meine, kostbarer als alle Schätze Arabiens; an Zahl zwar gering, aber etliche Stücke sehr schön, und manch eines sehr wirksam bei der Heilung von Erkrankungen.«
Unter der Robe hervor holte er zwei Schlüssel mit sehr kompliziert gezackten Bärten und führte sie in die beiden Schlösser der Tür ein, davon eines sich oben und das andere sich tief unten befand. Nachdem er mir vorübergehend sein Stöckchen anvertraut, drehte er mit beiden Händen gleichzeitig die Schlüssel, die Tür tat sich auf, doch zum Vorschein kamen nur etliche Schubfächer. Jedes indes hatte in seiner Mitte eine kleine Öffnung, in die Meister Sanche, unterdessen er weiter redete, jeweils einen metallenen Vierkant einführte, der ein Sesam-öffne-dich war, denn mit einer Druckbewegung kam ihm das Schubfach sofort entgegen.
»Hier ist der Grünling oder Grünspan, den Montpelliers Gevatterinnen aus Kupfer gewinnen, welches sie in Alkohol tauchen«, sprach der hochrühmliche Meister. »Und hier auch Alaun, Bitumen, Borax, Zinnober, der Operment, Quecksilber, Koralle; und in diesem Gefach (er nahm es aus dem Gehäuse, drückte es an seine Brust und wies dann den Inhalt vor), seht: Perlen, Gemmen, Gold und Silber.«
Wie gleißten und schillerten in unterschiedlichen Farben diese Schätze auf samtenem Grund! Welch prachtvollen Geschmeide einer Königin oder Geliebten zu gewinnen wären aus dieser lässigen Häufung, nicht zu fürstlicher Zierde bestimmt, sondern zu müßigem Glanz und Schein im Kot des Gedärms! Aber kaum vermochten sich unsere Augen an diesen Wundern zu laben, schon hatte Meister Sanche, mit eines Magiers Behendigkeit, das Gefach wieder eingeordnet, den Schrank mit den zackenbärtigen Schlüsseln verschlossen und letztere unter seiner Robe verschwinden lassen.
»Wie denn! Geht das an, so kostbare Steine als Medizin zu verwenden?« fragte Samson.
»Aber gewiß«, sagte der Meister und nahm meinen Händendas Stöckchen ab. »Laßt Euch sagen, mein lieber Neffe: die Apothekerkunst kennt, unter den zahllosen Heilmitteln, die sie bereitet, vier sonderliche, grundlegende Präparate. Es sind dies, merkt Euch die Namen gut: der
Theriak
, der
Mithridat
, der
Alkermes
und der
Hyazinth
. In den Hyazinth, der selbst ein Edelstein, gehen neunundzwanzig Bestandteile ein, darunter Gold und Silber, der Saphir, der Topas, die Perle und der Smaragd.«
»Aber eine so teure Medizin kann sich doch allenfalls ein König leisten!« rief Samson.
»Ein König, ein Prinz, ein
Weitere Kostenlose Bücher