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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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abermals gerührt von seiner engelhaften Unschuld, beobachtete ich gleichzeitig Typhème aus dem Winkel meines linken Auges und gewahrte, wie sie unter ihren gesenkten Wimpern hervor – was ein junges Mädchen bei geschlossenen Lidern alles so sieht! – einen Blick auf meinen Samson warf, einen einzigen, jedoch so lebhaft, jäh und scharf, daß ich fast zweifelte, sie dabei überrascht zu haben. Ha, Doktor Saporta! Besinnt Euch, solange es nicht zu spät:
cave tibi a cane muto et aqua silenti
1 .
    Der hochrühmliche Meister indessen fuhr in seinen Fragen fort, und als Samson und ich ihm einmal mehr die Antwort schuldig blieben, sprang Miroul für uns ein.
    »Wie denn, Miroul!« rief Meister Sanche verwundert, »du weißt so etwas?«
    »Hochrühmlicher Meister, ich lese in der heiligen Bibel jeden Tag, den Gott werden läßt«, sagte Miroul.
    »Ja, kannst du denn lesen?«
    »Als der Herr Baron von Mespech mich bei sich aufnahm, hat er mich unterrichten lassen.«
    »Gleiches habe ich bei Balsa getan in seinen jungen Jahren, damit er Zugang zur Heiligen Schrift hätte. Auch wenn er nurauf einem Auge sieht, er liest sehr gut«, versicherte Meister Sanche.
    Da nun glänzte das erwähnte Auge Balsas voll Dankbarkeit, was mich sehr rührte, ist doch dieses Gefühl dem Menschen nur selten eigen. Und weil ich mich erinnerte, daß der Apotheker meinem Diener nur widerstrebend an der Seite seines Gehilfen einen Tischplatz eingeräumt hatte, wünschte ich ihn beim Meister in ein noch besseres Licht zu stellen und sagte:
    »Miroul hat noch andere Fähigkeiten. Er ist ein guter, tapferer Soldat, außerdem singt er sehr hübsch die Psalmen Davids; dabei er sich auf der Viole begleitet.«
    »Aber das ist ja wunderbar! Ihn schickt uns der Gott Davids!« rief Meister Sanche. Und seine Augen funkelten vor Glück. »Mein lieber Neffe, möchtet Ihr Eurem Diener befehlen, die Viole zu holen?«
    Doch der flinke Miroul war schon auf den Beinen, mit fragendem Blick in seinen zwiefarbenen Augen.
    »Geh, Miroul«, sagte ich.
    Geschwind wie ein Armbrustbolzen schwirrte er davon. Stille trat ein. Luc aber, der während der ganzen Mahlzeit geschwiegen hatte, hob nun das Haupt und schaute auf den Apotheker in einer Weise, als wollte er ihn vor einer Gefahr warnen, die er nicht laut aussprechen mochte. Auf diese stumme Bitte senkte Meister Sanche den Kopf und sagte:
    »Balsa, wenn Miroul zu singen anhebt, stellst du dich vor die Tür und horchst, ob von der Straße die Worte zu verstehen sind; falls ja, gibst du Bescheid.«
    Kaum war Balsa verschwunden, kam der flinke Miroul quer durch den Raum geeilt, setzte seinen geflügelten Fuß auf den Schemel und die Viole auf das Knie.
    »Hochrühmlicher Meister, welchen Psalm soll Miroul singen«
    »Den ihm der Herrgott gerade eingibt«, sagte Meister Sanche tonlos.
    Miroul neigte den Kopf, sein Gesicht war plötzlich ernst, er riß einige Akkorde an, so sanft und leicht, daß sie alle Engel des Himmels in den bescheidenen Raum eintreten ließen. Meister Sanche aber hob die Hand, gebot Stille.
    »Fontanette, geh in die Küche, schließ die Tür hinter dir und bleibe dort, bis ich dich rufe«, befahl er.
    »Jawohl, hochrühmlicher Meister«, antwortete die Ärmste und machte ein Schmollgesicht, so verdrossen war sie, daß man sie aus dem Zimmer wies, in dem sogleich Gesang und Musik erklängen.
    Unwilliger als eine buckelnde Katze zog sie ab, die Tür hinter sich zuschlagend. Aber den Grund für diese Verbannung, nämlich die Angst, daß sie als gute Katholikin schwätzen könnte, begriff ich erst später. Meister Sanche, der sehr bewegt schien, gab ein kleines Zeichen, Miroul fuhr in seinen Akkorden fort, schaute plötzlich auf mit seinem jungen Antlitz und hob an zu singen, mit einer so hellen, reinen Stimme, als plätschere da ein Bergbach über weiße Kiesel.
    O Hirte Israels, vernimm!
    Dein Volk auf Wegen zieht voran
    als eine Herde, die du führst.
    Entheb der Qualen es …
     
    Ich will nicht den ganzen Psalm zitieren. Jene meiner Leser, denen Bibellektüre nicht Sünde dünkt (entgegen dem, was die papistischen Priester uns leider einreden wollen, die es gar ein Verbrechen nennen, daß wir die Bibel in die Volkssprache übersetzt haben), jene Leser wissen, daß David in diesem Psalm das Volk Israel mit einem Weinstock vergleicht, den der Herrgott gepflanzt hat und den die Bösen ausreißen wollen.
    Warum geborsten die Umfriedung?
    Warum sieht man ihn preisgegeben
    zur Beute jedem, der

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