Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
aber fehlen die Entschuldigungen, welche der Herr Baron einiger harter Wörtchen wegen, die er im Zorn gesprochen, vorzutragen gedenkt.«
    Caudebec musterte nacheinander Monsieur de Lattes, Cossolat, das Tönnchen und dann mich, im Gesicht noch kreidebleich.
    »Monsieur de Siorac, ich entschuldige mich bei Euch.«
    »Herr Baron, ich bin Euer Diener«, gab ich zurück.
    Und auf ihn zueilend, umarmte ich ihn heftig und drückte ihm auf jede Wange einen Kuß, welche Küsse er leutselig erwiderte, war er doch sehr erleichtert, zu so wohlfeiler Buße quitt zu sein.
    »Herr Baron, prügelt mir heut abend Euren Pagen nicht«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Ohne sein Zutun wäre ich jetzt tot, und Ihr säßet in einem stinkenden Verlies und harrtet Eurer Enthauptung.«
    Er versprach es. Ich erspare dem Leser die Komplimente, die ausgetauscht wurden und auf beiden Seiten in schöne Reden und tönende Tiraden ausuferten. Monsieur de Lattes sprach vorzüglich das Pariser Französisch und hörte sich gern reden. Sobald der schöne Edelmann den Saal verlassen hatte und unterdessen Cossolat vom Baron einen Becher Muskateller annahm, grüßte ich und verließ die Drei Könige. Doch schon nahebei zog ich aus dem Wams das mir von Dame Gertrude zugesteckte Briefchen, und da las ich:
     
    Mein liber Bruder,
    findet mir bittschön ein diskretes Loschie, welches ich bezalen werde, damit ich da meinen kleinen Kranken treffe, was hir nick meglich ist, weil ich seit Lezinja sehr überwacht werd. Ich erwarte Euch jetzt gleich in der Saint-Firmin-Kirche. Habt die Gühte, liber Bruder, tut was ich sag, oder ich sterbe.
    G.
     
    Ha! dachte ich lächelnd, ist es nicht besser, die zwei leben Seite an Seite, denn daß ein jeglicher für sich allein hinstirbt? Indes ich mich noch an der Rechtschreibung der Dame ergötzte,erschien Cossolat auf der Schwelle der Herberge. Ich sofort hin, nahm ihn beim Arm und flüsterte ihm ins Ohr, ich suchte für etliche Tage ein »diskretes Loschie«.
    »Ha, Herr Scholar! Ihr seid mir ein Mannsbild! Eben erst den Krallen des Römlings entkommen, und schon in den Krallen einer Wölfin!«
    »Nicht doch! Die Wölfin ist für meinen Bruder.«
    »Was hör ich? Kann er sich die Höhle nicht selbst suchen?«
    »Das könnte er wahrlich nicht, der liebe Gottesengel ist auf Erden allzu verträumt, überdies seit dem ersten Kuß in schlimmen Gewissensnöten.«
    »Ihr seid wirklich ein Prachtstück von Bruder!« rief Cossolat und lachte herzhaft. »Jetzt tragt Ihr gar noch Sorge, daß er seine Rute gebraucht, die ohne Euer Zutun glatt verdorren würde. Kommt!«
    Er nahm mich beim Arm und führte mich in die Rue du Bayle, eine seitlich der Saint-Firmin-Kirche gelegene Gasse; dort wies er auf einen kleinen Laden.
    »Da wohnt die Thomassine. Sie unterhält ein Nadelgeschäft, aber im Obergeschoß vermietet sie Zimmer an betuchte Bürger, die, wie das Kamel im Evangelium, nur davon träumen, das Nadelöhr zu passieren. (Er lachte bei diesem Witz, den er sicher schon oft zum besten gegeben.) Die Thomassine ist vor zehn Jahren in diese Stadt gekommen, aus den Cevennen hierher vertrieben von einer schrecklichen Hungersnot, die ihre ganze Familie hinraffte. Die Ärmste war vollständig am Boden und so ohne alles, daß sie ihr Vorderteil verkaufen mußte, um sich einen
cache-cul
kaufen zu können.«
    »Cache-cul, was ist das?« fragte ich.
    »Ein kurzer Frauenunterrock, in der Pariser Sprache. Doch von dem Tage an bot sie ihre Gefälligkeiten zu gehörigem Entgelt dem Feinsten vom Feinen (gar auch den Domherren von Notre-Dame-des-Tables) und prosperierte. Heute besitzt sie ein kleines Haus mit sehr bequemen Logis, vier Klaftern vom Seitenportal der Saint-Firmin-Kirche. Ein Schmuckkästchen von Liebesnest: der Kunde tritt in ihren Laden, wie um Nadel und Faden zu kaufen, und findet sich im Obergeschoß wieder, wo ihn seine Lustdirne erwartet. Verschwinden kann er durch einen Hinterausgang, der in ein schmales Gäßchen führt, wo keine Maus umherläuft.«
    »Aber ist das nicht ein Bordell? Die Dame ist empfindlich …«
    »Keine Sorge! da werden die Mädchen nicht feilgeboten. Wie in den spanischen Herbergen verzehrt ein jeder, was er selbst mitbringt. Herr Scholar, ich verlasse Euch nun. Der kleine rote Vorhang im Obergeschoß hat sich bewegt, will heißen, die Thomassine hat uns erspäht. Lebt wohl. Ihr werdet ihr gefallen. Denn obwohl sie so viele Männer gekannt hat, ist sie ihrer nicht überdrüssig.«
    Cossolat machte auf dem

Weitere Kostenlose Bücher