In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
sofern man an einem zugenickten Gruß Grade messen kann, war die mir erwiesene Verbeugung um etliche Daumenbreiten tiefer als die meinem Begleiter entbotene.
»Nun, wie ist Eure Meinung?« fragte mich Cossolat unterwegs.
»Man übt sich hier sehr in Zeremonie.«
»Die gleichwohl nicht pure Eitelkeit ist, sondern ein Mittel zum Regieren«, sagte Cossolat. »Und bedenkt, hier geht es nicht so grausam zu wie vor Montluc. Im Gegenteil.«
Cossolat irrte da nicht, wie es sich sechs Jahre später beweisen sollte, als der Statthalter von Montpellier am Tage nach der Bartholomäusnacht, die in Paris mit der Niedermetzelung so vieler Reformierter endete, von Karl IX. Order erhielt, in dieser Stadt den Unseren den Garaus zu machen. Sosehr Monsieur de Joyeuse ein Höfling war und wie bedacht auf sein Wohlergehen, er fand diesen ruchlosen Befehl wider seine Ehre, er weigerte sich, ihn zu befolgen, und erklärte öffentlich, er sei »Sol dat , nicht Schlächter«.
Die
Drei Könige
waren eine große und schöne Herberge, in der Samson und ich zwei Tage zuvor Fogacer mit einem saftigen Schweinebraten seine dienlichen Unterweisungen gelohnt hatten. Deshalb wußte ich um die gute Küche und daß sie Caudebec eine Weile hier festhalten würde. Ich meinte, daß ich mich mit dem Baron ohne Schaden und Verzug einigen könnte, und freute mich schon über den langen Aufenthalt der Pilger in Montpellier, meines lieben Bruders halber, der nun mit seiner Dame in Muße kosen könnte, anstatt nur eben »den Wind zu umarmen«.
Kaum waren wir abgesessen, erschien die Wirtin auf der Schwelle und begrüßte Cossolat, mit dem sie dicke Freundschaft zu pflegen schien. Die Römlinge, sagte sie, säßen im großen Saal und schlängen schon zu dieser frühen Stunde in Mengen Fleisch und Wein. Ich trat als erster in die Herberge ein, mir hinterdrein die Wirtin und Cossolat; und im Glauben, Cossolat folge mir auf den Fersen, ging ich im Saal stracks zu auf den Baron, um meinen Frieden mit ihm zu schließen. Eraber, kaum daß er mich erblickte, warf das Hühnerbein, an dem er kaute, hinter sich und sprang auf, puterrot im Gesicht. »Ha, Ketzer!« schrie er, »Schurke! Wagst du es, deine verräterische Fratze hier zu zeigen? Himmelherrgott, deine Frechheit sollst du büßen!«
Er zückte seinen Langdolch und warf sich mir entgegen. Ich wandte mich um: Cossolat stand nicht hinter mir. Entsetzt darüber, allein zu sein und waffenlos diesem Berserker ausgeliefert, wich ich zurück und wäre dem Baron entkommen, hätte nicht einer der Mönche mir hinterrücks ein Bein gestellt. Ich haute lang hin. Caudebec schwang seinen Dolch, brüllte »Nie der mit ihm!« und hätte mich unweigerlich abgestochen, wäre nicht der Page Rouen, den Tölpel spielend, ihm zwischen die Beine getaumelt, was dem Pagen einen gehörigen Tritt mit dem Stiefel eintrug und ihn zehn Schritte weiter purzeln ließ. Das verschaffte mir einen kleinen Aufschub, ich packte den Schemel des heimtückischen Mönchs und zog ihm diesen mit solcher Gewalt unter dem Hintern weg, daß der Kerl hinfiel samt Caudebec, der mich schnappen wollte. Hätten sich doch die beiden im Fallen gegenseitig totgestochen! Leider war die Vorsehung säumig.
Caudebec erhob sich wieder auf die Beine und verfolgte mich mit dem Dolch in der Hand rings um die Tafel, unterdessen einige Pilger »Töte! Töte!« schrien, aber ohne ihm beizustehen. Andere riefen: »Pfui! Pfui! Gegen einen Wehrlosen!« Und etliche der normannischen Damen, in ihrer Empörung, bewarfen den Baron gar mit ihren Bechern und Gedecken, um ihn in seinem Lauf zu hindern. Ich wurde gewahr, daß ich, wenn schon ohne Degen, zumindest über einen Schild verfügte, blieb jäh stehen, packte den Schemel an den Beinen, hielt ihn gezückt vor mich und harrte herausfordernd des Barons. Ebendies verwirrte Caudebec, mäßigte seinen Zorn ein bißchen, zumal er mir in seinem Aberglauben die Unbesiegbarkeit meines Vaters andichtete. Trotzdem stach er noch zwei- oder dreimal zu, und ich wehrte ab. Nicht zufrieden mit bloßer Verteidigung, die nicht meine Art ist, wollte ich ihm den Schemel unversehens an den Kopf werfen, als Cossolats kräftige Stimme durch den Saal hallte, den Lärm übertönend.
»Herr Baron von Caudebec, ich verhafte Euch im Namen des Königs!«
Die Pilgerschaft war jäh mucksstill. Caudebec drehte sich um, als hätte ihn eine Natter in die Ferse gebissen. »Monsieur, was sagt Ihr da?« fragte er.
»Herr Baron von Caudebec«, wiederholte
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