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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Absatz kehrt, und ich blieb, überrascht von seinem burschikosen Gehabe, allein zurück. Nun ja, sann ich, mag er auch Hugenotte sein, ein Hauptmann ist kein Kleinkind mehr, dem man das Brot in Häppchen schneidet. Der kennt bestimmt das Pflaster dieser Stadt, bei Tage und bei Nacht, und allen Handel und Wandel hinter jedweder Mauer.
    Kaum hatte ich den Fuß in das Nadelhaus der Thomassine gesetzt, erschien vor mir ein kesses Kammermädchen, beschied mir mit einem frischen Lächeln: »Meine Herrin erwartet Euch«, und führte mich beschwingten Schritts die Treppe hinauf.
    Ha! das hätte ich ahnen sollen: die Thomassine saß zu Tische, und ihre Tafel prangte von köstlichen Speisen! Monsieur de Joyeuse in seinem Stadtpalais, die Römlinge in den
Drei Königen
, die Thomassine in ihrem Zimmer! Heiliger Antonius! alle schlemmerten in dieser Stadt, dabei ich seit dem Abend keinen Bissen mehr zu mir genommen hatte. Ich mache hier niemandem einen Vorwurf: aber der Herrgott möge die Thomassine schützen bis ans Ende ihrer irdischen Tage und vergeben ihr alsdann in ihren ewigen Tagen, denn auf den ersten Blick erriet sie meinen Hunger und sprach in ihrer so herzlichen Güte und mit cevennischer Gastlichkeit, kaum daß ich auf der Schwelle erschien:
    »Mein edler Moussu, setzt Euch und eßt, Ihr seid mein Gast, es soll Euch nichts kosten. Nein, bitte ziert Euch nicht! Azaïs, ein Gedeck für den edlen Herrn! Hierher, mir gegenüber! Eßt, edler Moussu, eßt! Ohne Fleisch im Magen kein Leben! Ohne Leben keine Liebe! Ohne Liebe kein Leben! Azaïs, den Becher dieses edlen Herrn randvoll! Schluß mit der Knausrigkeit! Gib ihm noch mal von der vorzüglichen Bigorrer Wurst! Welch eine Freude, ihn so dreinhauen zu sehen! Azaïs, gib ihm noch etwasvon dem Schinken! Er verschlingt eine ganze Scheibe auf einmal! Wundervoll! Mein edler Moussu, noch ein bißchen von dem Corbières-Wein gefällig? Es rutscht dann besser! Azaïs, löse dem edlen Herrn die Krause! Auch das Wams nimm ihm ab! Es ist heiß hier, zieh ihm die Stiefel aus, er soll es bequem haben! Mein edler Moussu, probiert von dem Kirschkuchen! Trinkt Euern Corbières-Wein aus, damit Azaïs Euch von dem Muskateller eingießen kann. Muskateller aus Frontignan, lieblich und süß, in der Kehle weich wie Lyoner Samt.«
    Ha gewiß! hier gab es keine Schüsseln mit silbernem Deckel, keine Gedecke aus feuervergoldetem Silber, keine Gäbelchen mit goldenem Griff und keinen Lakaien in prächtiger Livree, aber was fühlte man sich wohl hier, heiliger Antonius! Diese gesunden, einfachen Speisen schlingen, die guten Weine unserer Lande trinken im kühlen Halbdunkel des Zimmers, die Fensterläden halb geschlossen gegen die Sonne und gegen die Fliegen! Und die schöne Thomassine, die mich so hochherzig ansah, so lose im Umgang, aber eine Seele von Mensch, Gott soll sie schützen. Und das gefällige Kammermädchen, das mich von meiner Krause, meinem Wams, meinen Stiefeln befreite mit flinken, zärtlichen Fingern und lächelnder Miene!
    Und während ich in mich hineinschlang, schon randvoll (doch dieser Abgrund weitete sich noch), ließ ich den Blick schweifen, und da fiel mir, außer den Wandbehängen und Teppichen, sonderlich eine Bettstatt auf, so geräumig, daß fünf Leute von meiner Statur bequem drin hätten schlafen können, die Bettdecke aus rotem Samt, und von rotem Samt auch die den Alkoven verschließenden Vorhänge. Sonst keine Möbel, nur eine Truhe, in der die Thomassine wohl ihre Kleidung aufbewahrte, und dieser Tisch, an dem ich speiste. Die Thomassine mochte noch nicht dreißig Jahre alt sein, sie war sehr schön, ihr Haar von glänzendem Schwarz, das Gesicht rund, der Mund breit und rot, der Hals stämmig, vor allem aber hatte sie den fülligsten, straffesten, milchigsten Busen, den ich je gesehen, und große Ähnlichkeit mit meiner allerliebsten Barberine, die nur den kessen Blick nicht hatte.
    »Monsieur de Siorac, seid Ihr nun wohl gesättigt?« fragte die Thomassine.
    »Wundervoll, Madame! Ich schulde Euch meinen höchsten Dank, aber woher wißt Ihr meinen Namen?«
    »Mein Bett ist mitteilsamer als zehn Beichtstühle, doch wie viele Geheimnisse mein kleines Ohr auch aufnimmt, meine Zunge plaudert nichts aus. Was hättet Ihr gern?«
    »Ein Zimmer, Madame, für fünf oder sechs Tage.«
    »Mein edler Moussu, Ihr seid ein Zweitgeborener aus dem Périgord, seid Medizinscholar, mit Geld nicht reich gesegnet: bei Euch macht das sechs Sols pro Tag.«
    »Danke, Madame, doch

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