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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ich so wie Euch, und um nichts zu verhehlen: ich möchte so sein wie Ihr.«
    »Luc, Eure Demut macht Euch blind! Ihr sprecht Spanisch und Portugiesisch, Ihr seid des Griechischen mächtig, wovon ich nur oberflächlich Kenntnis habe, und Ihr könnt Hebräisch, ich davon aber nicht ein einziges Wort.«
    »Ich meine es anders«, sagte Luc. »Nicht nur daß Ihr über alle Geistesgaben verfügt, Ihr könnt Euch auch Eurer körperlichen Verfassung rühmen, seid wendig, kräftig, handhabt vorzüglich die Waffen, seid ein prächtiger Reiter und, Fogacer zufolge, schon sehr geübt im Paume-Spiel. Außerdem (er senkte seine langen schwarzen Wimpern auf die bleichen Wangen) sollen die jungen Mädchen glatt vernarrt in Euch sein.«
    Dies schmeichelhafte Reden rührte mich und machte mich zugleich verlegen, konnte es doch durchaus sein, daß Luc meine Schäkereien mit Fontanette längst ahnte.
    »Ach, Luc, lassen wir das!« wehrte ich ab. »Der Kopf macht den Wert eines Mannes aus, nicht der Leib, den er mit den anderen Säugern gemein hat. Bitte, kommen wir zu Sache.«
    »Das will ich tun«, sagte Luc mit einem Seufzer. »Von Fogacer weiß ich, daß Ihr vorgestern über die Merkwürdigkeiten in diesem Hause recht verwundert wart.«
    »Ich war verwundert, habe aber nicht Anstoß daran genommen. Gelegentlich muß man sich verstellen.«
    »Wenn Euch das nicht fremd ist, wißt Ihr auch, daß sich das Geheimnis dieses Hauses in einen einzigen Satz fassen läßt:
Marrani novi Christiani appellantur sed in facto Iudaei occulti sunt.
1 «
    »Das habe ich begriffen.«
    »Aber Pierre, findet Ihr diese Doppelzüngigkeit vor dem Herrgott vertretbar?«
    »Offen gesagt, ich weiß es nicht. Wenn ja, warum verehren wir dann die Märtyrer des Glaubens?«
    »O Pierre!« rief Luc erregt, »in der Heiligen Schrift steht, daß es in höchster Not erlaubt sei, der Tyrannei nachzugeben und sein Leben mit allen Mitteln zu retten, außer durch Mord, Inzest oder Götzendienerei.«
    Hier überlegte ich, daß im Bekenntnis zum Katholizismus schon eine gewisse Art von Götzendienerei eingeschlossen war, doch ich zügelte mich, blieb stumm, denn ich wollte die Verwirrung meines Gefährten nicht noch verschlimmern. Im übrigen hing Luc dem reformierten Glauben an, und offenbar ehrlichsten Herzens (ich hatte ihn im Tempel aufmerksam beobachtet), also brauchte er selbst sich nicht mehr zu verstellen; ich merkte, daß er eigentlich für seinen Vater und seine neuchristlichen Brüder Rechtfertigung suchte.
    »Pierre«, fuhr Luc erregt fort, »gestern erhielten wir von einem in Spanien verbliebenen Freund einen Brief. Darin berichtet er, was Doña Elvira del Campo, einer Maranin aus Toledo, widerfuhr. Die Dame, eine begüterte und sehr schöne Bürgersfrau, wurde von der Inquisition eingesperrt, weil ihre Nachbarn und die Metzger sie bezichtigt hatten, nie kaufe und äße sie Schweinefleisch. Sie kam vor den Großinquisitor. Dortzog man sie splitternackt aus, und unterdessen ihre Richter sich hinter scheinheiliger Priesterkutte an ihrer Nacktheit weideten, fesselten ihr zwei Büttel die Hände auf dem Rücken und wanden ihr einen Knebel um die Arme, den sie auf ein Zeichen des Inquisitors zu drehen begannen … bis der Strick riß. Ich habe den Brief bei mir. (Luc holte ihn aus seinem Wams hervor.) Er ist in Spanisch geschrieben, ich übersetze ihn Euch. Hier der Wortlaut des Verhörs, dem Doña Elvira unterzogen wurde:
    ›Warum eßt Ihr kein Schweinefleisch?‹
    ›Herr, Schweinefleisch bekommt mir nicht … Gnade, Herr, Gnade! Ach! diese Männer töten mich!‹
    ›Warum eßt Ihr kein Schweinefleisch?‹
    ›Ich mag es nicht … Ach, Señor! Befehlt diesen Männern Einhalt! Ich sage alles, was Ihr nur wollt!‹
    ›Warum eßt Ihr kein Schweinefleisch?‹
    ›Ich weiß nicht … Ach! Ihr tötet mich! Ihr tötet mich!‹
    ›Warum eßt Ihr kein Schweinefleisch?‹
    ›Weil ich es nicht mag … Herr! ich sterbe! Befreit mich von dem Strick! Herr, ich sagte bereits, ich mag Schweinefleisch nicht.‹
    ›Warum wollt Ihr es nicht essen?‹
    ›Den Grund habe ich Euch gesagt. Ach, Señor! Was soll ich denn gestehen? Verratet es mir, und ich werde gestehen … Ach, Señor, ich sterbe! ich sterbe! Habt Ihr kein Erbarmen mit mir?‹ 1 «
    Luc hielt inne, Tränen quollen ihm unter den Lidern hervor, hierauf ich die Arme um ihn legte und ihn heftig an mich drückte.
    »Ach Pierre!« fuhr er nach einer Weile fort, »Ihr ahnt nicht, welchen Beleidigungen unsere spanischen

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