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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nicht ohne Trauer, doch auch ohne allzu großes Aufbegehren gegen das Schicksal.« Daß der Seigneur de Montaigne nicht einmal die genaue Zahl seiner verstorbenen Kinder wußte, das überraschte mich freilich. Und daß er »ohne allzu großes Aufbegehren« ihren Aufbruch himmelwärts hinnahm, brachte mir die bitteren Tränen von Kanzler Rondelet über den Tod seiner Söhne in Erinnerung. Doch ich will hier keine Vergleiche ziehen. Montaigne war Philosoph und dadurch den irdischen Dingen mehr oder weniger entrückt. Wäre Rondelet von gleichem Holz gewesen, er hätte nicht diesen fortwährenden glücklosen Kampf gegen den Tod gewählt, der des Mediziners Los ist, aber auch, so meine ich, seine Würde ausmacht.
    Ich hätte noch lange über Fogacers merkwürdige Sentenz nachgesonnen, wäre nicht plötzlich Miroul an meiner Seite aufgetaucht.
    »Miroul, du hier? Was machst du zu dieser Stunde in der Rue de l’Espazerie?«
    »Moussu, geht in den erstbesten Kaufladen: ich muß Euch, unauffällig für Augen und Ohren, sprechen.«
    Ich tat, wie geheißen, und fand mich in einem geräumigen Geschäft wieder, das Messer, Degen und Langdolche feilbot. Hinter der Theke zwei Verkäufer, beide von Kunden in Anspruch genommen, dahinter weitere Kunden drängten, so gut leider blühte in der Wirrnis der Zeiten dieses Gewerbe. Ich reihte mich ein, und hinter mir nahm Miroul Aufstellung.
    »Moussu«, flüsterte er, »ein Strolch von blutrünstigem Aussehen hat Euch von der Apotheke bis in die Rue du Bout-du-Monde verfolgt. Dort hat er die ganze Zeit auf Euch gewartet. Als Ihr aus dem Haus tratet, ist er Euch weiter gefolgt. Hier Euer Degen, Monsieur, eingehüllt in Eure Mantille. Nehmt ihn unauffällig.«
    »Wunderbar, ich fühle mich gleich weniger nackt«, sagte ich, als ich den Degen durch den Stoff fühlte. »Miroul, was rätst du mir: soll ich den Mann sofort stellen?«
    »Nein, Moussu, es sind zu viele Leute in dieser Straße, er könnte in dem Gewühl flüchten.« Miroul sah mich an, dabei sein kastanienfarbenes Auge blitzte, das blaue aber kalt blieb. »Moussu, Ihr strebt dem Nadelhaus zu?«
    »Das will ich nicht verschweigen.«
    »Dann stellt den Kerl im Gäßchen. Es ist unbelebt. Ich werde hinter ihm sein, den Dolch in der Hand, so daß er, wenn Ihr ihm entgegentretet, sich nicht absetzen kann und wir ihn schnappen, tot oder lebendig.«
    »Lebendig, Miroul, lebendig. Ich will wissen, wer ihn schickt.«
    Als Miroul fort war, verließ auch ich den Laden, äugte unauffällig nach allen Seiten, bis ich meinte, meinen Verfolger ausgemacht zu haben, ja gar ihn irgendwie zu kennen.
    Ich wählte, Mirouls Vorschlag folgend, den Weg durch das Gäßchen, Rue du Bombe-Cul geheißen, in das der hintere Ausgang des Nadelhauses mündete. Je näher ich meinem Ziel kam, desto spärlicher die Passanten, bis ich mich endlich allein sah, die rechte Hand am Griff meines Degens, das Ohr gespitzt und nach hinten lauschend, dabei ich nur ein leichtes Rascheln vernahm, sicherlich trug mein Verfolger Bastschuhe. Ich erreichte die Rue du Bombe-Cul arg in Schweiß; der Krümmung des Gäßchens folgend, wandte ich den Kopf nach dieser Seite undkonnte den Mann grad noch mit dem Augenwinkel fassen: er folgte mir in wenigen Klaftern Abstand. Ich spürte – oder meinte zu spüren –, daß er im Begriff war, sich über mich zu werfen. Jäh wandte ich mich um und fuhr ihn gellend laut und grimmig an:
    »Halt, Schuft, warum verfolgst du mich?«
    Der Kerl blieb stehen, musterte mich mit kleinen schwarzen Augen, die eher dumm denn böse dreinschauten. Artig lupfte er die schmutzige Kappe, die sein staubiges Haar bedeckte, und sagte:
    »Moussu, wenn Ihr erlaubt: ich habe den Auftrag, Euch zu töten.«
    »Teufel!« rief ich, sehr überrascht, einen so höflichen Mörder vor mir zu haben. »Töten womit?«
    »Mit dem hier, Moussu«, sagte der Kerl und zog aus seinen Lumpen einen Hirschfänger.
    »Und was sagst du jetzt?« rief ich und zog meinen Degen aus der Umhüllung. »Bin ich dir damit nicht überlegen?«
    »O nein, mit Verlaub, der Degen nützt Euch nichts«, sagte der Mann. »Ich kämpfe aus größerer Distanz: ich werfe mein Messer. Ehe Ihr einen Schritt tut, habt Ihr es im Gekröse.«
    Und er machte Anstalten, das Messer zu werfen. Ich verhehle nicht, daß ich mich augenblicklich in Schweiß gebadet fühlte, doch die Verwirrung raubte mir nicht die Sprache.
    »Kerl, wenn du das Messer wirfst, ist es dir aus der Hand. Dann pflanzt dir mein Diener Miroul,

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