In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Gnade.«
»Tätet Ihr das, Moussu?« fragte er, halb erhoben von seinem Schemel und die schwarzen Äuglein weit aufgerissen.
»Aber gewiß.«
»Das ist eine Überlegung wert«, sagte er und setzte sich wieder.
SIEBENTES KAPITEL
»Ah, Moussu«, versicherte mir Espoumel eine Woche später in seiner Gefängniszelle, »meine Ehre würde es mir mein Lebtag nie verzeihen, daß ich Hauptmann Cossolat den Aufenthalt des Scharfzahn verraten habe, wenn der mich nicht drei Tage davor hätte umbringen wollen.«
»Dich umbringen? Warum?«
»Um mich zu berauben.«
Und Espoumel erklärte mir, er habe damals in seinem Gürtel eine kleine Barschaft versteckt gehalten, vierzig Sols, welche er durch Unrecht, aber nicht ohne Mühe erworben, indem er eine
flassada
– so nennt man in Montpellier eine schöne Wolldecke – gestohlen und weiterverkauft hatte.
»Der Scharfzahn«, fuhr Espoumel fort, »anders als ich, wirft das Messer nicht, er sticht zu. Eines Morgens, als ich noch döste, gegen einen Strebepfeiler der Saint-Firmin-Kirche gelehnt, sah ich ihn im Dämmer des frühen Tages geduckt näher kommen, die Klinge in der Hand. ›Kumpel, wohin des Wegs‹, rief ich ihm entgegen. – ›Pissen will ich, weiter nichts‹, sagte er und richtete sich auf. – ›Wer früh aufsteht, kann überall pissen‹, sagte ich, ›schieb ab, Kumpel, schieb ab! Der Platz ist groß, und ich bin empfindlich im Schlaf.‹«
Nachdem Espoumel diese Geschichte geendet, musterte er mich aus seinen naiven Äuglein und sprach:
»Mein edler Moussu, vernehmt, was ich Euch sagen will: der Scharfzahn war ein arg gewissenloser Kerl.«
»Will ich gern glauben!« sagte ich.
Um nun in meiner Geschichte fortzufahren: Scharfzahn saß in der Taverne
Zum goldenen Kreuz
vor einer Kanne Wein und harrte der guten Nachricht von meiner Ermordung, als Cossolat anstelle von Espoumel auf den Plan trat. Er wollte sich mit Klauen und Zähnen verteidigen, doch dies bekam ihm schlecht: Cossolat, sehr erzürnt über den Widerstand, spaltete ihm mit einem Säbelhieb den Schädel bis zum Kiefer.
Seine Glanztat erfuhr von Mund zu Mund Aufbauschung, am Ende hieß es in Montpellier, Cossolat habe den Schurken bis zu den Hoden gespalten. Eine schöne Legende! Fogacer lieh sich den Leichnam für den Seziersaal, ehe der Henker ihn dann in Stücke hackte.
Dieser Ausgang kam mir zupaß, denn mir blieb nun erspart, vor Gericht zu erscheinen; zufrieden war auch Cossolat, daß Espoumel dort nicht aufträte, den er so lange im Stadtgefängnis verwahrt wissen wollte, bis er die Verstecke des Diebsgesindels der Corbières-Berge aus ihm herausgepreßt hätte.
Was nicht durch Folter geschah, sondern durch Überredung: Cossolat versprach unserem Mann im Namen von Monsieur de Joyeuse des Königs Gnade. Ich indes, der ich diesen ehrbaren Schelm irgendwie ins Herz geschlossen hatte, ich besuchte ihn jede Woche zweimal in seinem Verlies und brachte ihm Speise und Wein, welche Besuche mir, wie ich noch darlegen werde, beträchtlich zum Vorteil gereichen sollten.
Monsieur de Joyeuse hatte guten Grund, mit unseren Diensten zufrieden zu sein, denn was Espoumel dem Hauptmann erzählte oder aber mir anvertraute, war hinlänglich genug, um mit Erfolg gegen das Gesindel in den Corbières-Bergen zu Felde zu ziehen. So konnte der Gouverneur, wenigstens für eine gewisse Zeit, die Straße von Carcassonne nach Narbonne sicher machen und seiner Baronie in Arques wieder Frieden und guten Gedeih bescheren.
Noch war man nicht bei diesem ersprießlichen Ergebnis, als sich Caudebec und seine Römlinge nach sechs Tagen tüchtiger Schlemmerei endlich anschickten, die
Drei Könige
zu verlassen und den Weg in die Papststadt zu nehmen, wobei Cossolat zwischen der Wirtin und dem Baron schlichten mußte, weil letzterer nicht gern seine Geldkatze auftat.
Ich willigte ein, als Dolmetsch zu dienen in diesem harschen Streit, und als endlich alles geschlichtet war, begab ich mich ins Nadelhaus zu Samson und Dame Gertrude, die vor Schmerz außer sich waren bei dem Gedanken, ihr Kämmerchen, wo sie sechs Tage und sechs Nächte ihr einzigartiges Glück genossen hatten, nun aufgeben zu müssen.
Ich fand sie schon jenseits der reichlich vergossenen Tränen, jeden Augenblick des Messers gewärtig, das ihre Leiber und Seelen voneinander schnitte. Ach! ich war es, der sie trennenmußte, da die Römlinge schon zum Aufbruch geläutet hatten. Nach einer verzweifelten Umarmung stürzte mein armer Samson wie irre aus dem
Weitere Kostenlose Bücher