In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Lauterkeit, Weisheit und Liebe zu den Menschen.
»Fogacer«, sagte er, »ich selbst darf nicht trinken, weil meine Innereien gestört sind, doch schenkt bitte diesem jungen Leviten, ehe wir fortfahren, einen Muskateller ein. Und trinkt auch Ihr.«
»Besten Dank, sehr heiß ist es, und ich habe großen Durst«, sagte Fogacer.
Gleich einem schwarzen Insekt eilte er auf seinen langen Beinen zu einem Tisch, den er offenbar gut kannte, und füllte zwei Becher aus einer Flasche, die da stand; er brachte mir den meinen und leerte genießerisch den seinen.
»Nicht übel«, sagte er, den Wein auf der Zunge nachkostend.
»Mein Schwiegersohn, Doktor d’Assas, der einen sehr hübschen Weinberg nahe Frontignan besitzt, schenkt mir davon jährlich zwei Mud. Aber füllt nach, Fogacer, füllt bitte nach, schmachtet nicht trockenen Gaumens …«
Fogacer ließ sich nicht zweimal bitten. Auch mir wollte er neuerlich eingießen, doch ich wehrte ab, um für den Rest der Prüfung einen klaren Kopf zu haben.
Fogacer hob seinen Becher mit großer Geste in die Höhe und tönte:
»Ad maximam gloriam domini d’Assasi et venerandi cancellarii nostrae collegiae regis
1
.«
»Amen«, schloß Rondelet.
»Herr Kanzler«, sprach Fogacer mit leuchtendem Auge, daran der Wein vielleicht nicht unbeteiligt war, »da ich in diesem Kreise der einzige, wenn auch unwürdige Vertreter der römisch-katholischen Kirche bin, möchte ich die anwesenden Hugenotten daran erinnern, daß Papst Bonifazius VIII. schon anno 1300 einigen Medizinern Roms und Bolognas Autopsien gestattet hat.«
»Ab uno non disce omnes
1 «
, bemerkte Rondelet mit einer kleinen Gebärde, als wehrte seine Hand einen Fliegenschwarm ab. »Was zählt die Güte eines einzelnen Papstes, wenn noch zweieinhalb Jahrhunderte später eine Meute von Priestern uns hechelt … Siorac, seid Ihr gut erfrischt? Wollen wir fortfahren?«
»Bin bereit, Herr Kanzler.«
»Fogacer, habt Ihr unserem edlen Siorac Eure Niederschriften zu meinem
Methodus
gegeben?«
»Habe ich, und obwohl er erst kurze Zeit hier ist, hat er Euer De morbo italico fleißig studiert.«
»Bei aller Güte!« sagte Rondelet lachend, »der Bursche ist vorsichtig und bedenkt, welche Gefahren ihm drohen, wenn er in alle Winde sät. Nur zu, Siorac, wacker drauflos! Doch ich will Euch nichts predigen. Dies war nur ein väterlicher Scherz.«
»So verstehe ich es, Herr und Meister.«
»Wollen wir also sehen, was Euch das Studium meines
De morbo italico
eingebracht hat. Siorac, ist die italienische Seuche ein kaltes und trocknes Leiden?«
»Eben nicht, Herr Kanzler, das ist der Grundirrtum des gelehrten Montan. Die italienische Seuche ist ein warmes und feuchtes Leiden.«
» Bene. Bene.
Und rührt es von der Konjunktion des Saturn mit Mars und Venus her, wie manche Doktoren behaupten?«
»Keineswegs, das sind absurde Astralgespinste.«
»Erfolgt die Ansteckung durch die Atemluft?«
»Nein, durch venerische Berührung. Ein Infizierter steckt einen Gesunden nur durch Säfte an, die an einer gewissen Stelle aus seinem Leib in den anderen fließen. Doch ist die Seuche auch durch unsaubere Bettwäsche übertragbar.«
»Wie macht sich die Erkrankung bemerkbar?«
»Nach dem Koitus treten am männlichen Glied, an der Stirn und auf dem Kopf Geschwüre, Pusteln und Knoten auf.«
»Wie wappnet man sich gegen die Krankheit, wenn Verdacht besteht, daß man einer infizierten Person beigelegen hat?«
»Durch Abführmittel und Aderlaß.«
»Auf welchem Prinzip beruht die Heilung?«
»Bei Repletion wird es primo durch Entleerung geheilt: Klistier, Purgation und Aderlaß.«
Fogacer verzog den Mund, er schien sehr im Zweifel über die Wirksamkeit dieser Methode.
»Secundo?«
»Es empfiehlt sich, dem Geschwür Sublimat und Quecksilber aufzustreichen, außerdem Aloepillen einzunehmen, denn Aloe trocknet das Leiden aus.«
»Empfiehlt es sich, Salben zu verwenden?«
»Ja, verehrter Meister. Dann kann das Übel durch die Poren der Haut austreten.«
»Wie werden die Salben gefertigt?«
»Unter Verwendung von Schweinefett und Quecksilber.«
»Meister Sanche allerdings«, warf Fogacer ein, »ersetzt das Schweinefett durch Talg vom Huhn.«
»Der eignet sich ebenso«, sagte Rondelet lächelnd, »und ist unserem rühmlichen Apotheker sicherlich genehmer. Fahren wir fort. Zu welchem Mittel greift man bei Kopfschmerzen?«
»Man verabreicht einen Theriaktrank.«
»Was tun, wenn die Geschwüre sehr groß sind und eitern?«
»Am besten
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