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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Becher, behielt ihn aber in der Hand.
    »Der Name, Espoumel?«
    »Herrin, kann ich nicht sagen.«
    »Espoumel, hast du Hunger?«
    »Hunger, Herrin? Ich denk schon, ich hab Hunger, und könnte den Becher verschlingen, wenn Ihr ihn mir nur gebt.«
    »Das tu ich, glaub mir, und du bekommst einen schönen Kapaun dazu, gestern gebraten. Willst du ihn?«
    »Und ob ich ihn will!« sagte Espoumel, den Mund ganz wäßrig, die Augen starr auf den Becher gerichtet.
    »Sein Name, Espoumel?«
    »Scharfzahn.«
    »Ha, der Scharfzahn!« sagte die Thomassine. »Habe ich mir doch gedacht. Azaïs, hol den Kapaun und gib ihn unserem Mann. Also der Scharfzahn …«
    »Ist das sein wahrer Name?« fragte ich.
    »Den richtigen Namen kennt niemand, nicht einmal er. Doch der Schurke hat in der Tat kräftige Zähne, um alles zu knacken, was sich knacken läßt. Mein Pierre, ich kenne ihn. Als ich hierher kam, aus meinen Cevenner Bergen, so arm und fast verhungert, wurde Scharfzahn mein Zuhälter und hielt mich in meiner Sünde. Zwei Jahre war er bei mir, und ich liebte ihn. Doch er war ein Streithammel und Trinker, war brutal und nur auf mein Geld aus. Darum setzte ich ihn vor die Tür, als ich Cossolat kennenlernte, den er sehr fürchtete, weil er hier Diebereien und Morde begangen hatte. Er zog sich vor acht Jahren in die Corbières-Berge zurück, am vergangenen Donnerstag aber tauchte er ganz plötzlich wieder auf. Espoumel, ich bin die Hure, die diesen Kerl hinausgeworfen hat.«
    »Herrin«, sagte Espoumel mit vollem Mund, »ich bin ein wohlerzogener Mensch und habe Euch nicht Hure genannt.«
    »Ist mir egal«, sagte die Thomassine. »Ich bin, was ich bin. Und schäme mich dessen gar wenig. Im übrigen habe ich jetzt mein Auskommen und verkaufe mich nicht mehr. Ich verschenke mich. Und meine Liebe mit«, fügte sie hinzu, dabei ihr Blick mich zärtlich umfing.
    »Besten Dank, liebe Thomassine«, erwiderte ich, erhob mich vom Schemel, trat zu ihr und küßte ihren roten Mund. »Tausend Dank für deine schöne Liebe. Ich mag dich sehr.«
    »Ha, dieser Lügner!« sagte sie und lohnte mir den Kuß mit zehn dicken Küssen, dabei ihre fleischigen Hände zärtlich durch mein Haar strichen. »Kein Wort glaub ich dir! Wenigstens aber gehörst du nicht zu jenen Treulosen, die in den Brunnen pissen, nachdem sie ihren Durst gestillt.«
    »Madame«, bemerkte Azaïs, »das alles ist ja schön und gut, erklärt aber noch nicht, warum der Scharfzahn unseren Edelmann umbringen wollte.«
    »O doch, ich kenne den Kerl!« sagte die Thomassine. »Erhat in Monsieur de Siorac einen Rivalen gesehen und meint, wenn er den Rivalen um die Ecke bringt, hätte er mich und mein Geld in der Hand.«
    Nun alles klar war, verstummten wir. Azaïs setzte sich auf den Tisch und ließ ihre Beine baumeln, was meine Augen fesselte, die ich indes gleich wieder auf den rechten Weg lenkte. Dagegen Miroul glatt in diese hübsche Falle ging, sehr zu meiner Freude, denn es kam mir zupaß, daß der Diener dortselbst Nahrung fand, wo seine Herren ihre Haferkästen hatten. Sofern ich von Hafer sprechen darf im Falle der Dame Gertrude du Luc, die über unseren Häuptern meinen geliebten Samson gerade mit himmlischer Ambrosia nährte. Ha, Bruderherz! dachte ich, ergib dich deinen Wonnen ohne Sorge! Wie kannst du glauben, daß der göttliche Meister, der in seiner Natur so überreich Körner und Blumen spendet, knausrig beschneiden möchte die knappen Freuden unseres gar kurzen Lebens?
    Die Thomassine indessen, auf meinen Strauchdieb aus den Corbières-Bergen weisend, entriß mich den träumerischen Gedanken.
    »Espoumel«, sagte ich und fixierte den Mann, der gerade den letzten Happen vom Kapaun verschlang, dabei ihm das Fett aus den Mundwinkeln troff, »du hast mich draußen in den Bergen umbringen wollen und nun hier in der Stadt … Zweimal, das ist wahrlich zuviel! Was fang ich jetzt mit dir an?«
    »Hängt mich auf«, sagte er, versunken an seinem Wein nippend. »Einmal geschieht es ja doch. Wer dem Galgenstrick spottet, hat ihn bald ums Genick. Möge Gott Erbarmen mit ihm haben. Armut hat mich in meinen Corbières-Bergen zu Dieberei und Meuchelmord getrieben. Wäre ich ein Mädchen, hätte ich meinen Körper verkauft. Als Bursche habe ich mich des Messers bedient. Der Herr Jesus möge mir vergeben, und ich sterbe zufrieden.«
    »Espoumel, noch zufriedener könntest du das Leben genießen. Verrate mir, wo ich den Scharfzahn finde, und ich erbitte für dich des Königs

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