In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
gehabt hätte. Woche für Woche schrieb ich der Dame Gertrude du Luc, nicht ohne heimliches Vergnügen, einen langen Brief, dem Samson etliche Worte beifügte, so schlicht, daß es einem das Herz marterte.
Da keine Woche verging, in der nicht französische Römlinge (aus Rom heimkehrend oder dorthin pilgernd) Aufenthalt in Montpellier nahmen, gelangten die ihnen anvertrauten Schreiben wunderbar schnell an ihre Adresse. Es kam gar auch vor, daß sie sich kreuzten, denn Dame Gertrude sandte ihrerseits an Samson und mich seitenlange Briefe, so voll zarter, inniger Gefühle, daß man zwischen den Zeilen gleichsam ihr gütiges Herz pochen hörte.
Ende August trafen in der Apotheke zwei andere Schreiben ein, die indes endlos lange unterwegs gewesen waren, durch Kaufleute von Stadt zu Stadt befördert: ein erfreulicher Brief von meinem Vater und ein unerfreulicher aus der Feder des Juristen Coras zu Réalmont im Albigenser Land, adressiert an den hochrühmlichen Meister Sanche.
Mein Vater schilderte in lebhaften Farben den Fortgang der Dinge im geliebten Mespech: Herrschaft und Gesinde wohlauf und frohen Mutes, die Kornernte gut, das Heu in der Scheuer, der Wein vielversprechend, die Bäume voller Früchte; lohnend im Verkauf auch die von Jonas behauenen Steine, Faujanets Fässer, Sarrazines Kiepen, die Schafe von Cabusse und nicht minder die Schweine aus unserer Mühle, welch letztere gewaltig prosperierte unter der geschickten Führung von Coulondre Eisenarm: die Leute aus unseren Dörfern brachten uns freiwillig (die Verpflichtung dazu war abgeschafft) ihr Getreide, weil sie der Ehrlichkeit des hugenottischen Landherrn vertrauten, was ehrbaren Gewinn für ihn nicht ausschloß; und nicht nur das Korn brachten sie, im Herbst dann kamen noch die Nüsse, um das Öl zu gewinnen, welches die winterlichen Abende erhellen sollte. Rotschopf Petremol schließlich fertigte unterdessen so schöne Sattel, daß die Herren Brüder keine Mühe hatten, sie zu einem hohen Preis an den prahlsüchtigen katholischen Adel zu verkaufen.
All das war in dem lebendigen Ton berichtet, der meinem Vater eigen und der ihn uns so bildhaft gegenwärtig machte, mit seinen hellen Augen, seiner aufrechten Haltung, seinemklangvollen Lachen, seinen kernigen Sprüchen und der warmherzigen Liebe, die er jedermann entgegenbrachte, auch dem Gesinde, davon er jeden einzelnen beim Namen nannte.
»Was Samson betrifft«, fuhr mein Vater fort, »verdrießt mich seine Begeisterung für das Apothekenwesen mitnichten, im Gegenteil, ich erlaube ihm gern, diesen Beruf zu erlernen. Zumal er sich gewiß erinnert, daß mein Vater, Charles Siorac, aus seinem Ältesten einen Apotheker machen wollte und aus mir, dem Zweitgeborenen, einen Arzt, damit wir beide in Rouen praktizierten und, den Patienten von zwei Seiten bedrängend, ein gutes Auskommen fänden. Wer weiß, vielleicht kann, was ihm nicht gelang, am Ende mir mit meinen Söhnen glücken.
Meine Herren Söhne, es wird Euch sicher freuen zu erfahren, daß Euer Bruder François und Eure anmutige Schwester Catherine wohlauf sind und daß mein lieber Bastard David (der Sohn, den er mit Franchou, dem vormaligen Kammermädchen meiner Mutter, gezeugt hatte) in blendender Schönheit heranwächst; wie es scheint, stehen die außerhalb der Ehe gezeugten Kinder beim Himmel in einer geheimnisvollen Gunst. (Dies hatte er bestimmt zu seinem eigenen wie auch zu Samsons Trost geschrieben.) Gleiches gilt für die Gavachette, so schmuck und niedlich wie selten ein Mädchen im Sarladais, auch wenn sie keine Zigeunertochter ist, wie die Maligou behauptet.
Dich, mein Pierre, lobe ich für deinen Mut in den Corbières-Bergen und daß du dich so wacker in Logik und Philosophie schlägst. Die Kunst ist so lang, und so kurz das Leben. Und wie du weißt, ist nichts zu vollenden ohne Schweiß und Mühen:
absque sudore et labore nullum opus perfectum est.
Was die Weiberröcke betrifft, so halte, wenn du ein braves Mädchen findest, an ihm fest. Doch hier baue ich auf deine Vernunft, darin du deinem Alter sehr voraus bist.«
Ei ja, dies waren die Blumen, die mein Vater stets bereithielt, weil er dem Grollen nicht sonderlich zugetan; die Rolle des Sittenrichters bei den Herren Brüdern oblag Sauveterre, aber Vorhaltung kam immer von beiden, da möge sich niemand täuschen. Nach den Rosen also die Dornen: der liebenswürdige Brief hatte ein beißendes, stechendes Postskriptum –
in cauda venenum
1 – von der Hand unseres Onkels Sauveterre,
Weitere Kostenlose Bücher