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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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der uns mit scharfer Feder tadelte, daß wir in den
Drei Königen
zu viel ausgäben für Speise und Trank, und mein Ansinnen, in Montpellier für Samson und mich modische Wämser aus blauem Satin fertigen zu lassen (mit Beinkleidern von selber Farbe, die Ärmelschlitze dagegen rot), dazu als Kopfbedeckung federgeschmückte samtene Barette, als »nichtig und frivol« bezeichnete.
    »Meine Neffen«, schrieb Sauveterre, »kleidet Euch in Schwarz, wie es Eurem gelehrten Stand ziemt, nicht wie Lustknaben, die durch die Gassen stolzieren und in Unzucht leben.«
    Das sind unsere Hugenotten, so sann ich, schmähen Kleidung, jeglichen Pomp, gar auch die Bequemlichkeit, und knausern an allem, um ihre Truhen zu füllen. Nachdem ich den Brief gelesen, fragte ich Samson: »Erinnerst du dich, wie Onkel Sauveterre eines Tages im Hof von Mespech eine Nadel auflas, hinkend in das Zimmer meiner Mutter hinaufstieg und ihr vorhielt: ›Die gehört, glaube ich, Euch. Schwägerin, achtet fürderhin besser auf Eure Nadeln, sie sind teuer.‹« – »Recht hatte er«, sagte Samson trotzig, »Vergeudung ist Sünde, und Prahlsucht ist die Mutter der Ausschweifung.« Darauf ich nichts sagte, mir aber mein Teil dachte. Mein Samson in seiner engelhaften Unschuld hatte sich nämlich nie die Frage gestellt, wer wohl das Zimmer im Nadelhaus bezahlte und woher die guten, bekömmlichen Speisen kamen, die ihn sechs Tage bei Kräften gehalten.
    Dame Rachel, deren wir bei unserer Ankunft in Montpellier nur kurz ansichtig geworden, als die Hochschwangere in der Abendkühle vor der Haustür saß, war nach ihrem Wochenbett zu uns zurückgekehrt, königlich strahlend in ihrer orientalischen Anmut. Meister Sanche habe, so Fogacer, stets Geschmack bewiesen bei der Wahl seiner Ehefrauen, aber die jetzige sei noch schöner und noch jünger als die Vorgängerin. Sie war vierzig Jahre jünger als der Meister und von einer Schönheit, daß selbst Typhème neben ihr verblaßte, die im übrigen nicht ihre Tochter war, sowenig wie Luc ihr Sohn. Den beiden Kindern aus erster Ehe war sie wenig gewogen, wie sie auch Fogacer und mir und Samson keine Freundschaft bezeigte. Sie war kalt wie ein Diamant und wurde vom gesamten Hausgesinde wie die Pest gefürchtet, von der Köchin Concepción, von meiner armen Fontanette, von den Gehilfen, sogar vom zyklopenhaften Balsa. Demhochrühmlichen Meister bezeigte sie die geschuldete Achtung, mehr nicht. Nie trübte eine Träne ihre kalten Augäpfel.
    Zwei Tage nach der Botschaft des Barons von Mespech traf der Brief des Juristen Coras ein, der von anderer Tinte war. Wir standen an diesem Mittag im Speisesaal der Apotheke, jedermann vor seinem Schemel, in Erwartung des hochrühmlichen Meisters; nur Dame Rachel, mit Rücksicht auf ihre Verfassung oder weil sie vielleicht Dauervergünstigung seitens ihres Gemahls genoß, saß in einen Sessel gelehnt, die Hände im Schoß, das schöne Antlitz hoch erhoben.
    Das Warten zog sich diesmal länger hin als sonst, doch dann endlich erschien der Meister mit gesenktem Haupt und bekümmerter Miene, krummer und hinfälliger als sonst, in der rechten Hand ein doppelt gefaltetes Blatt Papier. Seufzend legte er das Papier neben seinen Teller, löste den silbernen Gürtel und streifte die Seidenrobe ab, irgendwie aber zerstreut, in sich gekehrt, ohne das bei dieser Umkleidung übliche zeremoniöse Gepränge. Und nachdem er die Robe an die Sprosse des Hirschgeweihs gehängt hatte, setzte er sich.
    »Aber mein Herr Gemahl«, sprach Rachel, »Ihr habt noch die Quastenmütze auf!«
    »Wahrhaftig«, sagte Meister Sanche, stand ohne ein Lächeln auf, nahm die Kopfbedeckung ab, hängte sie neben die Robe. Dann stülpte er über sein frisiertes Grauhaar das mit Goldseide bestickte Käppchen und setzte sich wieder nieder, die zitternde Hand auf das mitgebrachte Papier gelegt.
    »Aber mein Herr Gemahl, Ihr setzt Euch schon?« fragte Rachel.
    »Warum nicht, Madame?« sagte Meister Sanche unwillig und wie in seinen Gedanken gestört.
    »Monsieur«, erwiderte die von seinem Ton offenbar beleidigte, nun desto mehr in Grimm geratene Rachel, »Ihr vergeßt das
benedicite
… Wollen wir etwa wie die Heiden in der Türkei speisen?«
    »Ihr habt recht«, sagte Meister Sanche, erhob sich und wartete, daß Fontanette mit ihrer Kanne käme.
    Dann stand er da und starrte zu Boden, indessen das brave Mädchen die Runde um den Tisch machte und jedermann Wasser darbot zur Waschung, diesmal ohne ihre lieblichen kleinen

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