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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Seuche, die Euer Steckenpferd zu sein scheint (er lachte). Pierre (hier … doch es sei mir gestattet, dieses wiederholte Gähnen und Furzen der Phantasie des Lesers anheimzugeben), ist die italienische Seuche ein kaltes und trockenes Leiden?«
    »Nein, unser Herr und Meister«, entgegnete ich, »sie ist ein warmes und feuchtes Leiden.«
    »Fogacer«, fragte d’Assas, verschmitzt dreinblickend, »glaubt Ihr das? Ein ›kaltes und trockenes Leiden‹ oder ein ›warmes und feuchtes Leiden‹, was zum Teufel soll das Kauderwelsch?«
    »Weiß ich nicht«, erwiderte Fogacer, den dieser Zweifel freute. »Die Unterscheidung jedenfalls ist klassisch.«
    »Na schön. Unterscheiden wir also …« Und an sein schönes Kammermädchen gewandt: »Zara, mein Schatz, komm her, hier an meine Rechte, ganz nah.
Bene, bene.
Und wie, Pierre, erfolgt die Ansteckung bei der italienischen Seuche?«
    Hierauf ich kleiner Papagei antwortete:
    »Eine infizierte Person infiziert eine andere nur vermittels einer gewissen Flüssigkeit, die an einer gewissen Stelle in den Körper der anderen fließt.«
    »Das könnte man so sagen, obwohl mir das Wort Flüssigkeit nicht gefällt.« Mit seiner Linken führte d’Assas den Becher zum Mund, während die Rechte dem Mädchen zärtlich über den Rücken fuhr. »Pierre«, fuhr er mit einem genüßlichen Lächeln fort, »wir haben heute bei diesem schönen Wetter genug gearbeitet. Eine Frage noch, ehe wir schließen: wer fürchten muß, mit einer infizierten Person geschlafen zu haben, wie wappnet der sich gegen die italienische Seuche?«
    »Durch Purgieren und durch Aderlaß.«
    »Fogacer, glaubt Ihr das?« fragte d’Assas grinsend, mit der Rechten noch immer besagten Rücken liebkosend.
    »Ich weiß nicht. Aber so wird es gelehrt.«
    »Na denn, lehren wir es.« Und an mich gewandt: »Pierre, Ihr habt mich hinlänglich überzeugt, daß Ihr Rondelets
De morbo italico
auswendig kennt.
Dignus es intrare, mi fili.
1 Ich werde Saporta umgehend schreiben.«
    »Verehrter Doktor«, sagte Fogacer, der wußte, wie gern d’Assas immer alles auf die lange Bank schob, »warum diekleine Sache nicht gleich erledigen? Dann übergebe ich das Schreiben noch heute abend dem Kanzler, den ich ohnehin aufsuchen muß.«
    »Wie Ihr möchtet«, sagte d’Assas mit einem Seufzer. »Zara, hol mein Schreibzeug.« Das Mädchen entfernte sich mit wiegendem Gang.
    Nachdem mir d’Assas zwei Prüfungsfragen gestellt und das Ergebnis in zwei Zeilen an Kanzler Saporta schriftlich festgehalten hatte, trank er seinen Wein aus und lud uns ein, seinen Weingarten zu besichtigen; dort erging er sich eine ganze Stunde lang in unzähligen Einzelheiten, seine Rede in der uns schon bekannten Weise unterbrechend, indessen Zara folgsam an seiner rechten Seite schritt, damit er sie bequem betatschen konnte. Sie schien ihm dringliches Erfordernis, weshalb es mich später wunderte, daß er sie nicht auch bei seinen Vorlesungen zu ebendiesem Gebrauch an seiner Seite hielt. Wenigstens aber wahrte er in den Vorlesungen die erwähnten Pausensetzungen, die seinen Schülern fortgesetzt Anlaß zu Spott und Nachäffen gaben, mit dem Mund oder anderwärts, sofern sie Luft auch nach jener Seite hin hatten. Ungeachtet dessen folgten die Schüler aufmerksam seinen Kursen: sie waren gut und wären noch besser gewesen, hätte er sie nur besser vorbereitet.
    »Täuscht Euch nicht, d’Assas hat unendlich viel Geist«, sagte Fogacer, während wir Montpellier entgegenritten, und zwar sehr gemächlich, da im Kopf etwas wirr von dem Muskateller. »Er wäre der größte Mediziner geworden, wenn er sich nur angestrengt hätte. Aber er ist ein Genießer, möchte jeden Augenblick dieses verstreichenden und nie wiederkehrenden Lebens auskosten.«
    »Tun wir nicht alle das gleiche, ein jeglicher auf seine Art?« hielt ich dagegen. »Die einen frönen ihrem Geiz, andere der Liebe und wieder andere der Kasteiung.«
    »Darauf gibt es eine Antwort, doch mir ist so taumelig, daß ich jetzt nicht drauf komme«, sagte Fogacer.
    Mein weiser Mentor zügelte seine Stute, hielt sich mit beiden Händen am Sattelknauf fest, beugte sich vor und lachte aus vollem Halse.
     
    Am 11ten Oktober gab mir Kanzler Saporta durch den Pedell Figairasse zu wissen, ich solle die drei tourischen Livres Einschreibegebührentrichten, dabei ich als eingeschrieben erst nach Erhalt des Schreibens
ad hoc
von seiten des Doktor d’As sas gälte. Und erst danach dürfte ich ihn
schriftlich
ersuchen, mir

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